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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 9
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Eulenberg, Herbert: Holbein: ein Bild von ihm
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0448

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dem VIII. selbsren, do er in pausbackener Majestät
der Bader- und Wundschergilde von London einen
Freibrief zuhändigt. Item ist auch das letzte, was
Holbein verfertigt hat, die Federzeichnung für ein
astronomisch Uhrwerk gewesen, was darnach aus-
geführt und dem König überreicht wurde. Wie
unser Meister denn in allen Künsten Bescheid
wusste und einen Becher oder ein Spiegelleistlein,
einen Kamin oder ein helfenbein Medaillon und
eine Berlocke, so die vornehmen Leut hier an
langen Ketten umb die Hälser hängen haben,
ebenso feyn und zierlich ersinnen und reissen
mochte als ein Konterfey machen. Dieses ist mir
von den äusseren Lebensumständen Hansens Hol-
beins bekannt geworden.

Mancherlei Meynung von ihm, sein eigen Kunst
betreffend, ist mir indes noch besinnlich blieben.
Wiewohl er freylich nit vil hat reden wollen über
das, was er hat ermacht und erst gar nit darüber
schreiben mögen. So sagt' er mir, do ich ihm er-
zählte, dass Dürer, der Meister von Nörnberg
nämblich, etzliches geschrieben habe zur Under-
weysung der Messung und von menschlicher Pro-
portion und der Molerei und den Farben, ob man
denn mit dem Maule malen müsse und dass der
Nürnberger besser thäte zu malen denn zuschreiben
und den gelahrten Humanisten ins Handwerk zu
fuschen. Alsdann hat er sich auch umb Religionen
und Kirchen und Zank for den Glauben nit scheren
mögen. Item hab' ich niemals ein Buch oder ein
Traktat in seinen Händen gesehen, ausgenommen
die Bibel und Erasmi kurtzweilig satyrische Schrift
vom Lob der Narrheit, so er auch mit Rand-
zeichnungen verziert hat und einen alten handge-
schriebenen Augsburger Kalender noch von seinem
Vater selig, dem er als seinem wackern Lehrmeister
ein gottselig Andenken bewohrte. Er meinte, es
kam' einzig auf das Aug' an bey der Molerei und
wer dessen mangelte, der sey nit van Natur dorzu
geschick. Hernach müss' er nur lernen, ein freie
Hand zu erlangen und müsse alle Tag darin Übung
halten. Deswegen ist nichts bey ihm gezittert
noch gehudelt, sondern alls steht bey ihm so fest,
wie er eynen angeblickt hat. Dergleichen ich nie
wieder gesehen habe, also kalt und klar war sein
Gesicht beym Molen. Er conterfeyte einen aber
zumeist vorerst mit dem Steft oder dem Kohln uff
ein grau oder farbig Bapier, wobey er geren mit
den Augen und dem Blick den Anfang beym Bild-
nuss machte. Hernachen erst malte er uff der Lein-
wand das Gemäl mit Farben aus. Und war nit nötig,

dass der, den er konterfet hatte, dabey was. So sehr
hatt' er ihn inwendig und vermochte eynen, den er
kannte, so gut aus dem Gedächtnis zu molen, denn
do er leibhaftig vor ihm sass. Und dies war wohl
sein grösstes Ingenium, desgleichen nie vor und
nach ihm wieder gesehen ist.

Gern mocht er und mit Fleiss seine Gemäl auf
eynen grünen Grund setzen. Darumb einstmalen
von mir befragt, sprach er: „Ist nit grün die Farbe
des Lebens und der Natur, aus welcher wir alle
hervorgegangen sind, Gisze:" Item, hat er nit
leiden mögen, doss ich ihn ansah, do er mich hat
conterfet: „Sunsten seht Ihr mir ähnlicher denn
Euch!" meinte er. Davon ist es kommen, dass von
denen, die er hat conterfet, die wenigsten eynen
anblicken. Sondern halten die meist die Augen
zur Seiten gewandt nebst ihrem Kopf und schauen
ins Weite. Und manche haben ein traurig An-
sehen. „Seh' allweyl den Tod dohinter!" sagt er
eynmal. Auch hat er vile, die er hat conterfet,
und so auch mich mit der Kappen oder dem
Birett gemolt. Darumb befragt, sagt er mir:
„Weyl es nit minder wichtig ist und bedeutsam,
wie eyner den Hut trägt denn wie er den Kopf
hält. Auch ist es Sitt und Brauch hierzulande, die
Haar zu verstecken." Und er lachte dabei. Muss
wohl noch andere Grund gemeint haben.
Item hat er die Gewandung stets aufmerksam ge-
molt bis uff Knöpfe und Schnallen und Gurtwerk.
Hernachen hot man doch von allen seynen Bild-
nussen vorerst nur das Gesicht angeschaut. Solchen,
die eyn Handwerk hatten oder Stand und Zunft,
pflegete er Zirkel oder Richtscheit oder Mass oder
Geldwage oder Feder oder was sonsten Zeichen
ihres Standes war, auf dem Konterfey beizugeben.
Darumb von mir befragt, sprach er: „Wes Ding
eyner treibt, des soll der Moler Erwähnung thun.
Denn es ist in Wohrheit von Belang für seyn Ge-
sicht, welches einem Spiegel zu vergeleichen ist.
Darumb dass es Gestalt annimmbt von dem, was
ihm ständig fürfällt. Zum andern, Gisze, sind mir
solch Gerät lieb, weyl ich darmit den Raum und
die Perspektiva recht herauskriege."

Item, alle vergänglichen Menschen, so er hat
conterfet, hat er nit anders molen mögen, so sie
gewesen sind und er sie gesehen hat. Und er wollt
sich nie unterfangen etwas besser zu machen denn
unser allmächtig Gott, wie er denn weyland in
Basel eynen Juden, den man im Rhein ertränkt
hatte, hernach als Leichnam unsers ewigen Herren
Jesu Christi auf ein Tafel für einen Altarsockel

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