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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 11
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Rüttgers, Severin: Der Rhythmus des Bilderbuchs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0549

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hunderts versprochen hatten. Ludwig Richters
Bedeutung für die kunstgeschichtliche Entwicklung
ist gering. Er hat nichts vom Genie. Seine einzige
Thar, die Bilderbücher aus dem Bürger- und Volks-
leben, ist so gut wie anonym. Das Volk, wie er
es sah, die bürgerlich-fromme Gesinnung, die er
aussprach, waren lange dagewesen. Und als sie
endlich in seinen Zeichnungen ihre ganze Gestalt,
ihre Welt enthüllten, leuchteten sie, wie ehemals das
christliche Epos in dem Werke Dürers, in ihrer
letzten Schönheit, als eine dem Welken nahe Blüte.
Kaum waren sie noch Wirklichkeit, sondern ver-
klärtes Wesen, Vision.

Wesenhafter und blutvoller war diese Welt in
den Zeichnungen etlicher Künstler, die Richter
vorangingen, in den Kupferstichen von Chodo-
wiecki und in den (unbekannt gebliebenen) Zeich-
nungen Julius Oldachs, des Hamburger Hand-
werkersohnes. Die kaum zollgrossen Medaillons,
die dieser als Stammbaum zum Ehejubiläum seiner
Eltern zeichnete, umfassen das ganze Epos Ludwig
Richters. Und in ihre norddeutsche, hanseatische
Herbe hüllt sich eine Monumentalität, die der Be-
schaulichkeit des Sachsen unerreichbar blieb.

Richters emsiger Fleiss Hess den Zeitgenossen
wenig zu thun. Das neue Interesse für die volks-
epischen Stoffe der Vergangenheit wurde auch nicht
wuchtig und lebendig genug, um die Bilder zu
diesen Geschichten vom Text loszureissen. Die bild-
lichen Darstellungen blieben Illustration, Beigabe
zum Worte, im stilistischen wie im räumlichen
Sinn. Spekter und Schwind reichen, wenn auch
nicht an Umfang des Werkes, nahe genug an Richter.
Schwinds „Melusine", „sieben Raben", „Aschen-
brödel" hätten volkstümliche Bilderbücher werden
können. Der Stil ist monumentaler als der Richters,
pathetischer. Doch die Technik wehrte sich da-
gegen. Es ist in diesen Dingen ein Zusammen-
hang zwischen Gegenstand und Technik. (Ein
Zusammenhang, der auch auf die künftigen Dinge
sein Licht wirft.)

Ich sagte schon, dass Richter seinen Stoff
erschöpfte. Es ist wieder so, wie vor dreihundert
Jahren: mit der Ausprägung des Stils, dem Typus,
ist der Zusammenbruch da. Um 1850 war die
Einheit des Bürgertums, eine Einheit, die mehr
romantische Spiegelung gewesen als Wirklichkeit,
auch äusserlich zerrissen. Es folgt die bürgerliche
Revolution. Sie schüttelt und erregt mit ihren
Fragen und ihrem Zorn die Seelen. Das unruhige
Jahr bringt Alfred Rethels „Totentanz". Ein Bilder-

buch der revolutionären That. Viele sagen, ein pole-
misches Werk, ein Flugblatt. Nicht mit Unrecht.
Auch in Dürers Apokalypse und in Holbeins Toten-
tanz konnte ihren Zeitgenossen die polemische
Tönung nicht verborgen bleiben.

Nachher blieb für die alten Bilderbücher kein
rechtes Publikum. Kunsthistoriker und Kinder
teilen das übrige Interesse. Die soziale Schichtung
der Gegenwart, die Zersplitterung der Interessen,
die auch vor dem Ästhetischen nicht halt macht,
gibt keinem epischen Stoffe Aussicht auf volle
Popularität. Sie ist traditionswidrig. Immer ist
der schaffende Geist allein mit sich selber. Die
Werke, die entstehen, müssen dem Künstler ein
Publikum erst werben. Wie alle monumentale
Kunst verlangt das Bilderbuch grosse, allgemeine
Zeitimpulse. Solche sind nun für lange nur im
Unterstrom des Lebens. Und die empordringenden
haben immer zu kämpfen, sind polemisch. Wer
wundert sich, dass jetzt das Beste verschwiegen und,
wenn ausgesprochen, nicht verstanden wird!

Menzels bilderfroher Geist sagt sein Träumen,
Spott, Zorn und Laune, in den Blättern von „Künst-
lers Erdenwallen". In Max Klingers Zyklen ist
überall etwas von der Vielgestalt und Unform der
Zeit. Und sehr viel von den bildtreibenden Ten-
denzen der Vergangenheit, Erinnerungen und Spiege-
lungen des alten Epos, Philosophie und Sozialismus.
Dann für uns Deutsche ein Neues: Erotik. Sie
war den Alten nicht völlig fremd gewesen. Aber
erst Goya und die Franzosen hatten dies Problem
mit Bewusstsein aufgestellt. Bei Klinger ist die
typische Atmosphäre der Moderne: nervöse Sehn-
sucht und Trunkenheit, ein erregtes Zittern und
Tasten. Sein Instrument ist die subtile Nadel, sein
Werk birgt sich scheu in den Mappen der Sammler,
ein Bergwerk für den künftigen Geschichtschreiber
der modernen Psyche. Heute empfinden es wenige
als das Bilderbuch ihrer Zeit.

Wann wird es auch von allen Zungen klingen,
das Echo unserer Tage, das Lied von der Arbeit.
Sein Auftakt ist Lärm des Kampfes: Hauptmanns
„Weber", Käthe Kollwitz. Künstlerträume ver-
irren sich in die Idylle vergangener Tage. Hans
Thoma ist von diesen Glücklichen, Lächelnden.
Das Land der Bibel ist ihnen eine glückliche Insel,
wie Adolf Schinnerer, dem gemütvollen Erzähler
der Tobiaslegende. Ihr Werk teilt gleich am Tage
der Geburt das Schicksal der Alten: Kunstgeschichte
und Kinderstube.

Dann haben wir uns daran gewöhnt, von

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