Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Chronik des Monats
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0182

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHRONIK DES MONATS

In Dessau hat am 4. Dezember die feierliche Ein-
weihung des Bauhauses stattgefunden. Die über alles Er-
warten starke Beteiligung auswärtiger Gäste war ein Be-
weis für das außerordentliche Interesse, mit dem Gropius'
Arbeit in ganz Deutschland ebenso wie im Auslande ver-
folgt wird. In der Tat kann das neue Akademie- und
Werkstätten-Gebäude als eine Musterleistung heutigen archi-
tektonischen Schaffens anerkannt werden. In konsequenter
Auswertung der Möglichkeiten, die durch die neuartigen
Baustoffe und Baumethoden gegeben sind, ist eine Aufgabe
von großem Ausmaße vorbildlich gelöst worden. Der Grund-
riß der aus drei selbständigen, eng miteinander verbundenen
Teilen bestehenden Baugruppe ist aufs sorgfältigste durch-
dacht, und über die sachliche Zweckdienlichkeit hinaus ist
ein durch die Raumkomposition allein eindrucksvoll wirken-
des Ganzes entstanden.

Dieses Urteil bezieht sich sowohl auf die Außener-
scheinung mit ihren klar gegliederten kubischen Massen,
dem Wechsel einheitlicher Glaswände und horizontal ge-
lagerter Wandstreifen, wie auf die Innenwirkung der gut ge-
schnittenen, lichtdurchfluteten Räume. Ein außerordentlich
glücklicher Gedanke ist die Einbeziehung der tragenden
Glieder in das Innere, die es gestattet, die Außenwand des
großen Werkstättenhauses als eine einheitliche Glasschicht
zu gestalten. Abzuwarten bleibt allerdings, wie die Wärme-
verhältnisse im Innern sich entwickeln werden. Ausgezeich-
net ist auch die Verbindung der zwei Hauptgebäude durch
eine auf vier schlanken Pfeilern ruhende zweigeschossige
Brücke, in der die Verwaltungsräume Platz finden, und die
hohe Hinaufführung des als turmartiger Abschluß der Bau-
gruppe wirkenden Atelierhauses. Eine starke baukünstle-
rische Phantasie waltet in der Durchformung der großen
Raumkörper. Hier ist nicht mehr die Frage gestellt, ob
das flache Dach dem Giebeldach vorzuziehen sei, und ob
die Zierformen früherer Zeiten an heutigen Bauwerken noch
anwendbar seien, hier ist vielmehr Ernst gemacht worden
mit der Durchbildung der neuen Zweckform zu künstleri-
scher Gestalt.

Nicht ebenso erscheinen die Resultate, zu denen das
Bauhaus mit seinen Versuchen der Neubildung der häus-
lichen Geräte gelangt ist. Die Hauptbemühung galt der
Formung eines Sitzmöbels. Das Resultat ist ein Stuhl, der
Leichtigkeit und Bequemlichkeit vereinigt, in der äußeren
Erscheinung aber mit seinem aus blanken Nickelrohren ge-
bildeten Gestell für unser Gefühl etwas laboratoriumsmäßig
wirkt. Hier ist das Bauhaus noch auf dem Wege des Ex-
periments, auf dem es allerdings allein vorangeht, während
es in seinen baukünstlerischen Bestrebungen von einer all-
gemeinen, über ganz Europa ausgebreiteten Bewegung ge-
tragen wird.

Gropius wird sich in Zukunft der starken Verantwortung
bewußt sein müssen, die gerade der Erfolg ihm auferlegt.
Das betont individualistische Gebaren problematischer Einzel-
persönlichkeiten, wie es das Bauhaus in der ersten Phase
seines Bestehens entscheidend beeinflußte, steht ihm heut
weniger denn je an, da es den kollektivistischen Charakter
des neuen Baugedankens selbst betont und in den Vorder-

grund rückt. Ein Reinigungsprozeß wird darum unausweich-
lich sein. Die neue Hochschule für Gestaltung, der die
Anhaltische Regierung die Rechte einer Akademie verliehen
hat, wird bestrebt sein müssen, ganz zu dem zu werden,
was in dem außerordentlich zugkräftigen Namen ausgedrückt
ist, den sie sich bei ihrer ersten Gründung gegeben hat.
Gropius hat ein sicheres Gefühl für die Forderungen seiner
Zeit bewiesen, als er das „Bauhaus" ins Leben rief. Er
ist es der Stadt Dessau und ihrem mutigen Bürgermeister
Herre, die ihm nach dem Versagen Weimars die Möglich-
keit des neuen Aufbaues geschaffen haben, schuldig, sein
Institut zu einem Mittelpunkt der neuen Baugesinnung in
Deutschland zu entwickeln. G.

Berühmte Kunstwerke beschäftigen immer wieder die
Phantasie der Menge. In Paris war letzthin Aufregung,
als dort das Gerücht ging, die Mona Lisa im Louvre sei
nicht das echte Bild, nach dem Diebstahl wäre eine Kopie
eingeschmuggelt worden; das Original aber wollte ein tüch-
tiger Zeitungsberichterstatter in einem Keller an der Place
Vendome gesehen haben. Stoff für einen Kriminalroman.
Und für die Rundfrage: was macht der Händler mit der
echten Mona Lisa im Keller? und wieviel ist das Bild wert?
Inzwischen haben sich die Gemüter wieder beruhigt; die
Verwaltung des Louvre sah sich nicht veranlaßt, das Namen-
schild unter dem Bild zu ändern.

Neuerdings wird der Versuch gemacht, den Nimbus zu
zerstören, der die Sixtinische Madonna umgibt. Es han-
delt sich diesmal nicht darum, das angebliche Original, das
sich in Schweizer Privatbesitz befindet, gegen das Dresdner
Bild auszuspielen; es wird vielmehr versucht, dieses selbst
als eine Art von Pasticcio aus späteren Zutaten und Über-
malungen zu entlarven. Die Fachgelehrten mögen zu der
Schrift von Stübel Stellung nehmen, die ihre Angriffe gegen
das berühmte Bild mit dem schweren Geschütz historischer
Argumente führt. Wir können uns vorläufig nicht ent-
schließen, zu glauben, daß es gelingen wird, die Sixtina
in Dresden ebenso zu entthronen, wie die einst nicht minder
gefeierte Madonna Holbeins.

Auf dem Leipziger Platz, vor dem Messeischen Wert-
heimbau, dessen Fassade von dem inzwischen verstorbenen
Architekten Eugen Schmohl weitergeführt worden ist, sieht
es übel aus. Der schöne Abschluß des Platzes, den Messel
mit seinem Eckgebäude geschaffen hat, ist durch die Art
der Weiterführung um seine Wirkung gebracht. Pietät nennt
man es, wenn die talentvolle Leistung eines Vorläufers ge-
dankenlos kopiert und verballhornt wird; Baukünstler aber,
die es unternehmen, der Straße einen eigenen Rhythmus
zu geben — siehe Mendelssohns Herpich-Haus — macht
man jahrelang Schwierigkeiten. Hoffentlich schafft der neue
Stadtbaurat Wandel.

*

158
 
Annotationen