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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Benesch, Otto: Zur österreichischen Malerei der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0489

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HERBERT BÖCKL, PALERMO

Böckl beschwört, sowohl als Maler wie als
Zeichner, die Wirklichkeit in einer optischen Vision,
die ihr tiefstes Wesen in seiner Ganzheit vor den
Beschauer hinstellt. Seine Kunst steht auf der Linie,
die von den Klassikern Goya und Gericault her-
führt— somit letzten Endes in der Nachfolge Rem-
brandts.

Stehen die Beiden in äußerlichem Kontrast zu-
einander da, hinter dem sich eine tiefe Gemeinsam-
keit verbirgt, so nehmen wir in den Werken Gerhart
Frankls keine auffällige Gegensätzlichkeit wahr. Ent-
wicklungsgeschichtlich ordnen sie sich den einen so
gut bei wie den andern. Mit Wiegele verbindet
Frankl die Überlegung des Schaffens, das Wissen um
die richtige Gewinnung künstlerischer Werte. Seine
Bilder stellen in einer Zeit handwerklicher Ver-
luderung der Kunst durch ihre Meisterung der
Schichtentechnik malerische Phänomene dar. Mit
Böckl verbindet ihn das starke malerische Fühlen,
eine verwandte Art, mit der er die optische Vision
der Wirklichkeit zwingt. Der geistige Charakter
ist aber ein völlig anderer. — Ein Aquarell, das
Triestiner Vorstadthäuser vor frühlingshaften Hö-
henzügen darstellt, schichtet sich in klarer maleri-
scher Struktur; sie ist aber nicht das Wesentliche,
sondern ein traumhafter Schleier, der, ein Resultat

der schwebenden Relationen von Linien und Farben,
durch das Ganze zieht. Diese Schwingungen und
Interferenzen befähigen Frankl im Aquarell zur
Anwendung immer sparsamerer Mittel. Denn nicht
die Mittel sind bei ihm das, was das Naturerlebnis
wiedergibt, sondern das, was unfaßbar und un-
greifbar zwischen den Mitteln schwingt. Die Blätter
sind meist licht gehalten. Groß und durchsichtig
steht der Komplex eines Hauses in einer Parkland-
schaft da — in der Ferne ein zweites wie sein
Echo. Aus ihrem schwebenden Ausgleich erwächst
die geistige Bewältigung der ganzen Landschaft.
Einige zarte, vibrierende Bleistiftlinien ziehen auf
der weißen Fläche Hauswände und -dächer; einige
Töne sind leise hineingetuscht, eine Horizontale
drüber gezogen — und der Beschauer steht hoch
über der lichten Weite der Landschaft, über dem
von Villen bestandenen sinkenden Gelände. Die
Schwingungen von wenigen Bleistiftstrichen, von
drei, vier Aquarelltönen genügen, um den Zauber
der ganzen Wirklichkeit zu vergegenwärtigen.
Frankls Wirklichkeitsdarstellung ist vielleicht die
immateriellste, denn sie gibt tatsächlich nur den
Atem, das Fluidum der Dinge, an dem wir sie
unfehlbar wiedererkennen bis in ihre letzten und
feinsten Wesenheiten.

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