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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Chronik
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CHRONIK

Ides- ^

R. Eigenberger, Die Gemäldegalerie der Aka-
demie in Wien. Wien, Manz-Verlag, 1927.

Rob erc Eigenberger har in kurzer Frist für die ihm an-
vertraute Sammlung geleistet, was irgend der Museumsdirektor
zu leisten vermag. Seine Galerie durch Erwerbungen wesent-
lich zu bereichern, war ihm durch wirtschaftliche Umstände
versagt, immerhin hat er der Gunst des Fürsten Liechten-
stein und anderer Wiener Kunstfreunde einige wertvolle
Gaben abgewonnen. Die Aufgaben der Aufstellung und
Katalogisierung hat er aufs glücklichste gelöst. Bei der vor
wenigen Jahren durchgeführten Umordnung ist zur allgemei-
nen Überraschung — in den alten Räumen und ohne kost-
spielige bauliche Veränderung — aus einer wüsten und über-
füllten eine erstaunlich gut sichtbare Galerie geworden.

Der Katalog liegt jetzt in zwei Bänden vor. Eigenberger
hat nicht mit Assistenten und Hilfskräften gearbeitet, nicht
„organisiert", sondern selbst beobachtet, geforscht und ge-
schrieben, mit vollkommener Kenntnis der Literatur, gleich-
mäßiger Berücksichtigung fremder Urteile, mit selbständiger
universeller Kennerschaft in allen Fragen, die von dem
mannigfaltigen Bestände gestellt wurden. Daher die Einheit-
lichkeit,die persönliche Frische und dramatische Lebendig-
keit des Buches.

In mehr als einem Punkte geht die Leistung über die
Grenzen des Üblichen und allgemein Geforderten hinaus,
bietet mehr als bislang die besten Galeriekataloge geboten
haben. Das Plus besteht zunächst aus Angaben über den
Zustand jeden Bildes. Solche Angaben werden sonst überall
vermißt. Eigenberger, der Historiker, Kunstkenner, Maler und
Restaurator zugleich ist und so, daß diese Gaben und Tätig-
keiten sich wechselseitig fördern, vermag mit dem durch
Erfahrungen geschärften Blick über die Veränderungen des
ursprünglichen Zustandes zuverlässige Auskunft zu geben,
über Nachdunkelung, Firnisverhältnisse, Verputzung, Fehl-
stellen, Retuschen. Wer da weiß, in welchem Grade die
Wirkung eines Bildes durch den Erhaltungszustand be-
stimmt wird, und wer bemerkt hat, mit wie unschuldiger
Ahnungslosigkeit die Kunstfreunde, selbst die gelehrten,
diesen Fragen gegenüberstehen, wird den Wert der auf-
klärenden und warnenden Belehrung hoch anschlagen.

Einen Bruch mit dem Herkommen bedeuten die Beschrei-
bungen. Was sollen, wollen und erzielen die Beschreibun-
gen? Sie enthalten in manchen Fällen Deutung und Erklä-
rung und insofern sind sie unentbehrlich. Davon abgesehen,
leistet die schlechteste Abbildung mehr als die beste Be-
schreibung. Je weiter man mit der Illustrierung gegangen
ist, um so überflüssiger wurden die Beschreibungen alten Stils,
und um so dringlicher regte sich der Wunsch, die schwarzen
Abbildungen durch Angaben über die Farben zu ergänzen.
Der — leider vergriffene — vollständig illustrierte Katalog
der Berliner Galerie enthält Farbenangaben, und in dem
jüngsten Katalog der Galerie von Donaueschingen findet man
den pedantisch „wissenschaftlichen" Versuch durchgeführt,
den Farbenbestand in allen Abstufungen mit Zitaten in
Zahlen und Buchstaben (nach Ostwalds Tafeln) zu übermitteln.

Eigenberger schlägt einen anderen Weg ein. Er steigert

die Beschreibung zur Schilderung; die Gesamt Wirkung im
Auge, zieht er die Tatsachen der Form, der Farbe, sowie
die inhaltliche Deutung zusammen, baut, mit Worten malend,
das Bild vor uns auf. Eigenberger poetisiert nicht geflissent-
lich, im Zwange der Aufgabe greift er zu dichterischen
Mitteln. In der Einleitung begründet er mit klugen Worten
sein Verfahren. Jeder Teil im Bilde, ob Form oder Farbe,
kommt nicht an sich in Betracht, sondern im Dienste der
Kunstabsicht, in seiner Funktion, in seinem Verhältnis zu
anderen Teilen und zum Ganzen. Eigenberger zählt die
Dinge nicht auf, erfaßt vielmehr die Aktion, den Vorgang,
das schöpferische Tun. Deshalb herrschen die Verben in
seinem Text. Ohne Zweifel dringt er zum Wesentlichen vor,
berührt den Kunstwert, führt zum Verständnis und zum Ge-
nuß, ob man diese „Beschreibungen" vor den Abbildungen
liest oder vor den Originalen. Und darauf kommt es doch
an. Freilich kann der hier geglückte Versuch, zum Prinzip
erhoben, von weniger begabten Museumsbeamten nachge-
ahmt, zu bedenklichen Ergebnissen führen.

Der Katalog enthält eine Fülle neuer kunsthistorisch wich-
tiger Beobachtungen in bezug auf die Autorschaft, auf die
Entwicklung dieses oder jenes Malers, z.B. Francesco Guardis.
Alle Resultate aufzählen, vielleicht auch einige davon kriti-
sieren, vermag nur, wer den Katalog bei gründlichem Stu-
dium in der Galerie benutzt hat — was mir noch nicht ver-
gönnt war.

Der Band mit den Abbildungen enthält auf 209 Tafeln so
ziemlich alle wertvollen Bilder der reichen und vielseitigen
Galerie.

Eigenberger hat ein Meister- und Musterwerk geliefert,
einen neuen Typus des Galeriekatalogs geschaffen.

M. J. Friedländer.

Gedanken zu Gustav Paulis: „Die Hamburger
Meister der guten alten Zeit". Hyperion-Verlag 1925.

Der Titel des Paulischen Buches „Die Hamburger Meister
der guten alten Zeit" dürfte wohl verlegerischen Gesichts-
punkten entsprungen sein, die ihre Rechtfertigung erst durch
das regulierende Motto Byrons auf der ersten Buchseite er-
halten. Denn wenn die Mehrzahl der hier vereinigten 126 Ta-
feln auch Ansicht und Gesinnung des Vierwände-Bürger-
tums wiederspiegelr, vom Standpunkte des Kunstforschers aus
geschah doch an dieser Stelle der Durchbruch der von den
anschauenden Sinnen gespeisten Malerei durch eine Jahr-
hundert währende Atelierkonvention mit wechselnden Vor-
bildern. Es handelt sich also um mehrals freundliche Er-
weckung des städtischen Hausgeistes, es geht um die ganze
deutsche Malerei des neunzehnten Jahrhunderts in diesem
Buche. Insofern bedarf der Titel einer Erklärung.

Der Text Gustav Paulis geht durch die kulturhistorische
Unterbauung der künstlerischen Vorgänge über das Bekannte
hinaus. Der Lebensstand des Bürgertums im ausgehenden
achtzehnten Jahrhundert und die Umschichtung des Bildungs-
interesses, das sich vom Adel auf den Stand des Bürgers über-
trägt, spiegelt sich in der bildenden Kunst wieder. Die
ästhetische Anspruchslosigkeit bei einem Maximum an philo-

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