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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Schiff, Fritz: Wachstum und Bedeutung der neueren religiösen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0275

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Ferdinand Kitt Hochzeit zu Kana (Oel)
Für die Kirche wird agitiert im Gartenlaubestil: „Seht Christus kommt auch noch 1929 auf eine Hochzeit/'

Wachstum und Bedeutung der neueren
religiösen Malerei
von
FRITZ SCHIFF
Das klassische Wort des Impressionismus, ein gutgemalter Kohlkopf sei
besser als eine schlechtgemalte Madonna, war charakteristisch für eine bürger-
liche Gesellschaft, die stolz darauf war, sich endlich von kirchlichen und
geschichtlichen Themen befreit und eine eigene profane Malerei geschaffen
zu haben. Der bürgerliche Alltag gewann für die Kunst den gleichen Wert
wie die bisherigen sakralen Themen; man hatte einen Sieg erfochten, der
zwar nur ästhetisch gemeint war, der aber im historischen Geschehen
zweifellos eine revolutionäre Bedeutung hatte. In holder Kindlichkeit die
bürgerliche Gesellschaft für den endlich erreichten Normalzustand haltend,
glaubte man, Kohlköpfe und Landschaften zu malen, sei Ausdruck einer
absoluten und unabhängigen Kunst, auf deren Höhe auch die religiösen
Themen ihre gesellschaftliche Gebundenheit verlieren würden. Trotzdem
bevorzugte man nun einmal die diesseitigen Kohlköpfe, denn man hatte
ja noch mit den alten feudal-klerikalen Schichten einige Machtfragen zu
erledigen und propagierte ein naturwissenschaftlich gerichtetes Weltbild.
Nur Uhde glaubte, von der evangelisch-sozialen Bewegung angeregt, dem
„Volke“ die Religion durch Modernisierung des Kostüms erhalten zu können.
Mit dem Sieg der Sozialdemokratie über Bismarck zerbrach der Stöcker-
Spuk, und Uhde war sauber genug, seinen Irrtum einzusehen und zur Land-
schaftsmalerei zurückzukehren.

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