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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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105

Kunstliteratur.

106

Sammeleifer freien Spielraum gewähren zn können.
Mrs. Hailstone, die selbst Sammlerin ist, hat jüngst
ein Buch geschrieben, in welchem sie nach eigener Beo-
bachtung und Uebung nicht nur die gewöhnlichsten Mani-
pnlationen, sondern auch die eigenthümlichen Stiche er-
klärt, durch welche die verschiedenen Arten von Spitzen
ehedem hervorgebracht wurden. Auch möge hier die
„Geschichte der Spitze" von Mrs. Bery Palliser
in Erinnerung gebracht werden, ein populär geschriebe-
nes und hübsch illustrirtes Buch, das bereits eine zweite
Auflage erlebt hat.

Cole's Abhandlung hat mehr den Vorzug, geuau
und klar, als gerade neu zu sein. Er theilt seinen Stofs
in zwei Klassen: Genähte Spitze (Point ü 1'ui^uills)
und Geklöppelte Spitze (äsnkeUs nn ünsonu), in deren
Fabrikation Flandern und Frankreich einst hohen Rnf
besaßen. Es ist nicht immer leicht, zwischen diesen
beiden Arten zu unterscheiden; und in der That be-
findet sich unter den Jllustrationen ein Muster, welches
beide Methoden vereinigt. Der Versasser führt die spani-
sche genähte Spitze nnd die französische genähte Spitze
auf einen beiden gemeinsamen italienischen Ursprung zurück
und erzählt interessante Anekdoten von nationalen Eiser-
süchteleien, von schutzzöllnerischen und wider den Luxus ei-
fernden Gesetzen, zu denen das Kunstgewerbe Anlaß gab.
England folgte in dieser Hinsicht dem Beispiele Frank-
reichs und Spaniens. Wir erfahren, daß im Jahre
1662 das englische Parlament, in Sorge über die für
fremde Spitzen ausgegebenen Geldsummen und eifrig
darauf bedacht, das englische Spitzengewerbe zu beschützen,
eine Akte ausgehen ließ, kraft welcher die Einführung
aller fremden Spitzen verboten wurde. Da die eng-
lischen Spitzenhändler, dadurch in Verlegenheit gebracht,
nicht wußten, auf welche Weise sie die an dem Hofe
des zweiten Karl begehrten Brüsseler Spitzen ersetzen
sollten, so luden sie flandrische Spitzenmacher zur Ueber-
siedelung nach England ein. Der Plan schlug jedoch
fehl. Der in England produzirte Flachs war nicht sein
genug, und die daraus gemachten Spitzen sind deßhalb von
geringer Qualität. Die Händler grissen daher zu einem
einfacheren Auskunftsmittel. Sie kauften die besten
Spitzen des Brüsseler Marktes auf und schmuggelten
dieselben nach England ein, um sie dort unter dem Namen
„Boint ä'Im^Istsiws" oder „Ln^Iisll xoint" wieder
zu verkaufen. Im Verlauf der Zeit zwar sah Eng-
land sich im Stande, geklöppelte Spitzen zu produziren,
die jedoch nach Beschafsenheit der Zeichnung und der
Arbeit im besten Falle nur als ein Imitationsprodukt
anzusehen sind. Zhr künstlerisches Verdienst steht nicht
hoch, die Muster tragen einen stillosen geblümten Cha-
rakter. Aus diesem Grunde auch hat Cole die englische
Spitze in seinem Werke keiner Jllustration gewürdigt.
Auch die Spitzenfabrikation anderer Länder ist deswegen

von dieser Ehre auSgeschlossen; so sinoen russische, schwe-
dische, dänische unb normännische Spltzen keine Stelle,
weil sie bei genauer Prüfung, der Hauptsache nach, imi-
tirte Arbeiten zu sein scheinen, die im Wesentlichen der
Fabrikation anderer, die Spitzenwirkerei von Alters her
betreibender Länder gleichen) und deren künstlerischer
Werth nicht von Bedeutung ist. — Von Maschinen-
spitzen dars man wohl behaupten, daß sie iu demselben
Verhältniß zu der alten Handarbeit stehen, wie ein Oel-
druck zu einem Originalgemälde.

Mr. Cole hat vermöge seiner offiziellen Stellung
in der Verwaltung der Abtheilung sür Kunst und Wissen-
schaft ostmals Gelegenheit gehabt, in den verschiedenen
Ländern die Mängel und Vorzüge der Vorzeichnungen
für Spitzenarbeiten zu beobachten. So erfreut er auch
ist, aus manche für gule Arbeit angelegte Kräste gestoßen
zu sein, so bedanert er doch zugleich, daß unsere Spitzen-
arbeiter nur allzu sehr geneigt sind, lüderliche und sinn-
lose Muster auszuführen oder doch sich in irgend einer
mangelhasten Imitation alter Muster zu versuchen.
Solche Arbeiten, sügt er hinzu, sind häufig übereilt unv
tragen stets die Merkmale des Mangels an Geduld, an
Sorgfalt uud Beharrlichkeit an sich, von denen die alten
Arbeiten Zeugniß ablegen. Sein Rath geht dahin, daß
die Zeichner sich nicht begnügen sollten, das Ornament
blos im Umriß zu geben ' und in einer bestechenden
Weise auszusühren, daß sie sich vielmehr einen genauen
Begriff von der Fabrikationsmethode aneiguen und die
Fähigkeit besitzen sollten, die Behandlung des Orna-
ments und die für die vollkommene Wiedergabe am
besten geeignete Manipulation anzugeben. Dieses prak-
tische Wissen, dieses Anbequemen der Kunst an die Bc-
dürfnisse des Gewerbes ist es gerade, was ungemein
schwierig bei den Zöglingen der englischen Kunstschulen
sowohl als auch selbst bei geübteren Zeichnern zu er-
reichen ist. R L. I.

Ä „Mosaik zur Kunstgeschichte" ist der bezeichnende
Titel, unter welchem Gottfried Kinkel soeben eine Reihe
buntgewürfelter, farbig und glänzend geschriebener Aufsätze
kunstgeschichtlichen Jnhalts bei R. Oppenheim in Berlin ver- ,
öffentlicht hat. Es sind zum größten Theil Spezialitäten,
von umsassender Gelehrsamkeit und feiner Beobachtung zeu-
gend und ebenso vollendet in der Form wie originell im
Grundgedanken. Um die Mannigfaltigkeit des Jnhalts an-
zudeuten, zählen wir nur einige der in dem Buche behan-
delten Gegenstände hier auf, das Weitere der eingehenden
Besprechung vorbehaltend. Dem Gebiete der klassischen Ar-
chäologie gehören die Aufsätze über den Restaurator des
Farnesischen Stiers, das Mausoleum zu Halikarnaß und die
berühmte Statue des Schleifers in Florenz an, welchen Kin-
kel für die Schule des Michelangelo in Anspruch nimmt. Ein
vierter Aufsatz behandelt den riesigen Steinkreis von Stone-
henge, den der Verfasser in eine weit jüngere Zeit herab-
rückt, als gemeinhin angenommen wird. Drei weitere, be-
sonders gehaltvolle Abhändlungen über Teppiche und Möbel-
malereien führen den Leser von Seite der neuerdings oft
vernachlässigten Stoffkreise dieser Darstellungen in das Ver-
ständniß der Renaiffancekunst ein. Der letzte Aussatz be-
handelt den Kupferstecher Wenceslaus Hollar, dessen Leben
Kinkel von den daran haftenden falschen Traditionen reinigt.
 
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