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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Sammlungen und Ausstellungern

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moralischen und ästhetischen Standpunkte aus betrachtet auch
erscheint, so hat die Auffassung doch bei aller Wahrheit nichts
Verletzendes und Gemeines, nne wir es oft in der Dar-
stellung minder gewagter Situationen bei unsern rnodernen
Realisten sinden. Die Malerei ist von bewunderungswür-
diger Genialität, und so kann es nicht befremden, daß dies
Gemälde fortwährend die zahlreichsten Beschauer anlockt.
Von den Werken unserer heimischen Künstler verdient ein
interessantes großes Bild: „Der letzte Schmuck" von Julius
Geertz, das meiste Lob. Dasselbe zeigt ein schönes junges
Mädchen welches einem alten Juden ihr prächtiges blondes
Haar verkauft, um durch den Ertrag irgend einen geliebten
Kranken zu unterstützen. Darauf deutet wenigstens die Me-
dizinslasche, die wir in ihrer Tasche sehen. Ein altes Weib
legt gerade die Scheere an die langen Locken und ein weh-
müthiger Schmerz durchschauert die edle Gestalt der Jung-
srau, die offenbar den besseren Ständen angehört, in dem
Moment, da sie ihren „letzten Schmuck" in aufopfernder
Liebe dahingiebt. Die Komposition ist klar und verständlich,
die Charakterisirung ausdrucksvoll rurd scharf und die Be-
handlungsweise breit und wirkungsvoll. Besonders ergrei-
send tritt der Gegensatz zwischen der hoheitsvollen Erschei-
nung des in Trauerkleider gehüilten Mädchens und den
gemeinen Naturen der beiden Alten zu Tage, und wir glauben,
dem Bilde denselben großen Erfolg verheißen zu können,
den Geertz mit dem „Verurtheilten Verbrecher" errungen,
da dieses neue Bild in der Farbe jenes frühere noch über-
trifft. Ein sehr hübsches Kinderporträt von Th. von der
Beck und lobenswerthe Landschaften von Nabert, Keßler
u. A., sowie eine recht gelungene Gypsbüste von Karl Müller
haben wir ebenfalls noch zu erwähnen, um uns dann den.
neuen Bildern in der Ausstellung von Ed. Schulte zuzu-
wenden. Hier fesseln uns zunächst zwei ausgezeichnete kleinere
Wasserfülle von Andreas Achenbach, von denen der eine
in norwegischem, der andere in deutschem Charakter gehalten
ist. Beide zeigen dieselbe Meisterschaft in der Behandlung
des strömenden Wassers und eine Feinheit der Durchbildung,
wie wir sie nicht bei allen Werken des genialen Künstlers
sinden. Auch ein kleiner italienischer Mondschein von Os-
wald Achenbach spricht durch die interessante Stimmung
allgomein an, wogegen die einfachen Landschaften von Gen-
schow, Schweich und Frische weniger Beachtung sinden
als sie verdienen. Sehr zu rühmen ist ein größeres Bild
„Wald im Schnee" von S. J acobsen, dem sich ein großer
Jagdhund im Schnee von I. Deiker auf's Würdigste an-
reihen läßt. Beide Gemälde zeigen große Naturwahrheit
und echt künstlerische Behandlung, selbstverständlich in ganz
verschiedenartiger Weise. Fritz Lange bezeugt in seinen
Thierbilderu ein fortwährendes Vorwärtsstreben, das aller
Aufmunterung würdig erscheint, und G. Bregenzer offen-
bart in einem alten Mann, der eine Prise nimmt, ein nicht
gewöhnliches Talent. Jn dem zur Attaque vorsprengenden
General Seydlitz zeigt W. Camphausen sich ganz auf dem
ihm am meisten zusagenden Gebiete der historischen Reiter-
porträts und erringt deßhalb auch ungetheilten Beifall, wäh-
rend C. Gillissen in seinen beiden militärischen Bildern
diesmal weniger Tüchtiges leistet, als in manchen srüheren
Arbeiten.

IV. Kasseler Kunstverein. Die im Septembeü und Ok-
tober d. I. veranstaltete 36. Ausstellung dieses Vereins bot
zwar nicht viele Meisterwerke ersten Ranges, aber eine statt-
liche Auzahl vortresflicher Arbeiten dar. Der Katalog zählte
im Ganzen 451 Nummern. Der neueren Kunstrichtung ent-
sprechend hatten Genre und Landschaft die zahlreichste und
verhältnißmäßig auch die beste Vertretung gefunden, lioch
sehlte es auch nicht an guten Historienbildern. Unter diesen
nahm vor allem W. Lind enschmit's bekanntes Bild ,,Die
Ermordung Wilhelm's von Oranien" das Jnteresse in An-
spruch, wenngleich dasselbe, trotz seiner großen Dimensionen,
Lrotz der Tragik seines Gegenstandes, hart an der Grenze
des historischen Genre's steht. Der Gegenstand ist zu mo-
mentan und äußerlich erfaßt, als daß" das Bild als Hi-
storienbild im strengeren Sinn aus die Dauer befriedigen
könnte. Bei einem solchen will man doch nicht nur die Hand-
lung an sich, sondern auch die Motive derselben angedeutet
sehen, was hier aber ganz und gar nicht der Fall ist. Die
ungemein wirkungsvolle Behandlung der dargestellten Scene,
sowie dis des Nachsolgers von Piloty durchaus würdige

! Technik, welche zum mindesten einzelne Partien des Bildes
in malerischer Hinsicht zeigen, entschädigen übrigens einiger-
nraßen für jene Mängel. Die lebensvolls Charakteristik, Init
welcher der Künstler seine Gestalten aus dem Kreise des
mittelalterlichen Lebens und namentlich der Reformationszeit,
seine klösterlichen Stillleben, lesende Mönche, Scenen aus
dem Leben Luther's, Hutten's rc. auszustatten weiß, verfehlt
auch hier ihre Wirkung nicht. Jm Uebrigen wäre es viel-
! leicht zum Vortheil der Darstellung gewesen, hätte der Künstler
für die Ausführung etwas kleinere Dimensionen angenommen.
Ein schlimmer Nachbar war das Bild sür das gleichfalls im
Besitz der Verbindung sür historische Kunst besindliche Ge-
mäldevon G. Spangenberg, „Luther's Einzug iu Worms",
welches bei sonstigen Vorzügen guter Auffassung und Cha-
rakteristik doch in koloristischer Hinsicht jenem gegenüber stark
absiel. Außerdem sind in dieser Richtung noch hervorzuheben
C. Schweitzer's gleichfalls schon bekannte phantasievolle
Komposition „Märtyrerthum der Christenheit" und die beiden
großen Kartons von Kaulbach „Peter Arbues" und „König
Jakob V. von Schottland erösfnet das Parlament in Edin-
burgh 1532". Aus letzterer Darstelluug wiegt zwar der cere-
monielle Charakter des Gegenstandes vor, doch werden wir
durch eine Reihe prächtiger Charaktersiguren, wie sie den
Vordergrund des Bildes füllen, entschädigt. Jn einem schönen
Bild „Des Meergottes Gesang" hat O. Donner in Rom
einen antiken Gegenstand in glücklichster Weise behandelt.
Ein junges Liebespaar lauscht, am Meeresstrand sitzend, voll
Hingebung dem Gesange des Gottes, welcher aus den Fluthen
emporgetaucht ist, ein Bild von tiefer, durchaus gesunder
Empsindung und dem entsprechend auch der warme und kräs-
tige, fast freskoartige Ton, in welchem das Ganze gehalten
ist. O. Donner hat über das Wesen der antiken Wand-
malerei manchen erwünschten Aufschluß gegeben, mit diesem
Bild aber, in welchem sich antike und moderne Elemente
mischen, zeigt er, daß er nicht nur in die Geheimnisse der
Technik, sondern auch in den Geist der antiken Malerei votl-
kommen eingedrungen sei. Als eine sehr tüchtige Leistung,
sowohl was Ausfassung als Malerei betrifft, ist ferner eine
„Mignon" von Rögels in Barmen hervorzuheben, in wel-
chem Bilde der Charakter des wunderbaren Mädchens in vor-
trefflicher Weise wiedergegeben ist. Die Heiligenmalerei hatte
^ diesmal gar keine Vertretung gefunden, doch sind hier zwei
Z eichnungen nach Raffael, von unserem Landsmann Georg
. Koch, zu nennen: Madonna Conestabile und Mad. Sistina.
Gewähren beide vom Künstler mit gewohnter Virtuosität
ausgeführte Kopien schon insofern großes Jnteresse, als sie
das Erstlingswerk Raffael's und das seiner höchsten Kunst-
vollendung repräsentiren, so ist erstere noch besonders dadurch
werthvoll, daß sie eine der wenigen,. wenn nicht die einzige
getreue Nachbildung jener Jugendarbeit des Meisters ist,
deren Original sich bekanntlich gegenwärtig im Besitz der
Kaiserin von Rußland befindet. Ein von Amsler gesertigter
Stich nach demselben kann nicht als eine gelungene Repro-
duktion angesehen werden, noch weniger ein älterer von
Coroni. Auch die vorhandenen Photographien nach jener
Zeichnung genügen nicht. Es wäre daher sehr wünschens-
werth, wenn sich Koch dazu entschließen möchte, dieselbe aus
lithographischem Wege zu vervielsältigen. Bei dieser Ge-
legenheit machen wir aus die gleichsalls vortresflich gelungene
Zeichnung Koch's nach einer anderen Jugendarbeit Raffael's,
der durch den prächtigen Stich von Raab wieder mehr in
Aufnahme gekommenen Madonna di Tempi aufmerksam,
welche sich vhotographisch reproduzirt in dem von der hiesigen
Hofkuusthandlung von Theodor Kay herausgegebenen Ras-
saelalbum besindet. — Sehr hübschs Genrebilder sahen wir
von Wiesnieski, „Kirchgang", Fr. Sonderland, „Vor
dem Richterstuhl", von Nordenberg, „Abendidylle" und
„Trauung in einer schwedischen Dorfkirche". Gleichfalls zur
Düsseldorfer Schule gehört ein köstliches kleines Bild von
H. Plathner, „Ertappt aus bösen Wegen", M. Olsers,
„Nach dem Zechen", sowie eine Anzahl vortresflicher Arbeiten
von F. Müller, Beinke, Aschenbroich, Louis Tan-
nert u. A. Vier kleine stimmungsvoll behandelte orienta-
lische Charakterbilder (Bazar in Kairo, Geldwechsler und ein
Gemüsehändler) hatte B. Fiedler in Triest ausgestellt,
ebenso 'eine syrische Landschast mit dem Libanon. Zwei
Kriegsbilder (König Wilhelm bei Gravelotte und der Kron-
prinz bei Wörth) waren von Northen in Düsseldorf aus-
 
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