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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Selleny-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0117

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Die Selleny-Ausstellung im Wiener Künstlerhause.

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Modell gesessen. Es ist schwer zu entscheiden, was nach
nnseren Begrisfen hübscher ist: die Namen oder die
Gestalten.

Jn Singapore und Iava betreten wir wieder
europäisches Civilisationsgebiet, daher uns unter den
Straßensiguren von Batavia der Policeman und der
Wachmann mit einem gewaltigen Dornenstock als Diebs-
fänger nicht Wunder nehmen. An interessanten Typen
und Gestalten ist hier kein Mangel, da die Bevölkerung
bunt genug zusammengeweht wurde. Chinesen, Malayen
und Iavanesen beiderlei Geschlechtes füllen Straße und
Bazar; auch die unglücklichen Kulis, das nach Auf-
hebung der Sklaverei in Amerika unter anderem Namen
aus China importirte Sklavenvolk, sind hier leider zu
sinden. Die Chinesen haben, außer ihren Pagoden, das
ihnen vom tugendstolzen Albion ausgedrungene Opium
mitgebracht, und so zeigt uns Selleny ein Kafseehaus, in
welchem die Gäste sich sämmtlich im seligen Dusel der
Opium-Narkose besinden. Die überreiche Vegetation
gab dem Künstler Anlaß zu prachtvollen Baumstudien
und Ausnahmen mehrerer Nutzpslanzen, aus denen die
Kolonie reichen Ertrag zieht. Unter den landschaftlichen
Bildern erwähnen wir das hübsche Aquarell von Pulo-
Penang, woher die Engländer während des gegenwärtigen,
endlosen Aufstandes ihre „Siege" in die Welt telegra-
phiren.

Trefflich ist der kreolische Typus in Manila
wiedergegeben; „Dame" und „Dandy" würden kongeniale
Jllustrationen zu der unvergleichlichen Schilderung der
Kreolen abgeben, die Sealsfield in seinen „Lebensbildern
aus ver westlichen Hemisphäre" für alle Zeiten hinge-
stellt hat. Eine „Portugiesische Dame" und ein „Ein-
gebornes Mädchen", letzteres ossenbar Halbblut, dann
die „Volkstypen" bieten mit den Kreolinnen und einer
„Malayin" sowie einer „Jndierin" interessantes Ma-
terial zur Verfolgung dieser verschiedenen Racen und
ihrer Mischung. Dem Aufenthalte in dieser Kolonie
verdanken wir auch zwei prächtige Architekturstücke:
„Santa Cruz" in Manila und die dortige „Kathedrale";
dann die bereits erwähnte Ausnahme der „I^u^uuu sn-
ounäuäs.", der Vorlage für das Oelbild „Der verzau-
berte See".

Unter der Rubrik „Shanghai" ist die chinesische
Beute zusammengesaßt. Hier sind abermals die Volks-
typen am zahlreichsten vertreten, und es erfreuen sich
nicht nur die Gesichter einer besonders sorgsältigen Be-
handlung, sondern auch die großgeblumten, grotesk orna-
mentirten und lebhaft gefärbten Gewänder, deren Wieder-
gabe dem Künstler vorzüglich gelungen ist. Alle Stände
der in so zahlreiche Klassen zerfallenden bezopften Söhne
des himmlischen Reiches, vom Mandarin mit so und
so viel Pfauensedern bis zum Wasserträger und Kuli,
ziehen im Bilde an uns vorbei; die Mannigsaltigkeit

der Gestalten und ihrer Bekleidung isi schier unerschöpflich.
Unter den architektonischen Aufnahmen verdienen der
bereits erwähnte „Theegarten zu Shanghai" und der
„Longfüh (Porzellanthurm)" hervorgehoben zu werden; der
letztere wetteifert an Schärfe der Details mit der Auf-
nahme der indischen Felsentempel. Landschaftlich be-
deutend sind die Farbenskizze der „Bucht von Hongkong"
und das Aquarell vom Nang-tse-Kiang vor Shanghai,
dann die Aqnarelle von der chinesischen Küste. Die
schon angesührte Zeichnung der Camoöns-Grotte zu
Macao läßt bedauern, daß der uns mehrsach als sehr
malerisch geschilderte Garten des Dichters der „Lusiaden",
in welchem dieses portugiesische National-Epos geschrieben
ward, von Selleny nicht aufgenommen wurde. Daß der
Künstler übrigens auch hier nichts Charakterisüsches
übersah, beweist das sorgsältig gearbeitete Aquarell „Chi-
nesische Boote"; es giebt einen sehr genauen Einblick
in die Beschaffenheit dieser Fahrzeuge, auf welchen be-
kanntlich Millionen von Chinesen ihr Lebelang wohnen
und ihrem Gewerbe — nachschwimmen.

„Neuseeland und Australien" haben unserem
Künstler zunächst zu zahlreichen Vegetationsstudien An-
laß gegeben, nnter welchen wir ein mit farbigen Stiften
meisterhaft ausgeführtes Porträt einer ücum tsrru^iueu
hervorheben. Auch die Volkstypen sind einzeln und
gruppenweise stark vertreten, und durchwegs mit größter
Sorgfalt, Feinheit und koloristischer Vollendung behan-
delt. Einzelne Aquarelle, wie: „Einwohner von Stuart-
Jsland", „Weib auf Wulongong", „Mädchen Wariky aus
Neuseeland", nehmen in ethnographischer Beziehung unser
Jnteresse besonders in Anspruch; das Mädchen ist selbst
nach landläusigen europäischen Begrisi'en hübsch und würde
uns in Granada kaum ausiallen, so sehr erinnert es an den
südspanischen Typus. Die Gruppen stellen das Volks-
leben mit einem hübschen genreartigen Zuge dar und
bieten manches humoristische Bild, wie die Begrüßung
bei der Landung am Waikato, wo die Eingebornen nach
neuseeländischer Art zum Gruß — die Nase reiben.
Auch ein Lager von Eingebornen zu Illawara ist sehr
interessant; nicht minder das „Nachtlager in Manga".
Als Jllustration des Komforts, dessen damals Reisende
in Neuseeland sich zu erfreuen hatten, ist das euphe-
mistisch so bezeichnete „Hotel in Drury" beachtenswerth;
datirt doch selbst der städtische Charakter Melbourne's, das
heutzutage an schnellem Wachsthum es den amerikanischen
Städten gleichthut, und vor kurzer Zeit sogar ein pracht-
volles Opernhaus erbaute, erst seit kaum zwei Iahr-
zehnten!

Aus „Oceanien" ist zunächst der große Ocean
selbst zu erwähnen. Selleny hat dessen Charakter in
einer Reihe prachtvoller Lust- und Wasserstudien fest-
gehalten, deren koloristische Meisterschaft wir bereits
srüher nach Gebühr gewürdigt haben. Der Wellenschlag
 
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