Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0133

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
253

Kunstliteratur.

254

sein, daß es ein gutes ist. Ebenso darf man sich überzengt
halten, man wird es dabei nicht mit einer mechanisch wört-
lichen Uebersetzung, sondern mit einer sinngetreuen stil-
vollen Uebertragung, ja vielleicht noch mehr, mit einer
„Umdenkung" des Werkes zu thun haben. Und in der
That, diese seine Paraphrase des englischen Textes ist von
solcher Vollendung, wie wir sie in unserer Kunstliteratur
nur noch an der durch Max Jordan besorgten deutschen
Ausgabe von Crowe und Cavalcaselle's Geschichte der
italienischen Malerei kennen und schätzen lernten: Er-
rungenschaften, sür die wir doppelt dankbar sein müssen,
weil uns auf heimischem Boden, so fleißig auch na-
mentlich in den letzten Iahren das kunsthistorische Feld
umgebrochen wurde, doch noch kein so blätterreicher Schoß
aus dieser Species erwachsen ist, weil wir, unverblümt
zu reden, in der deutschen Kunstliteratur keine Werke von
so umfassender Einseitigkeit im guten Siune des Wortes
besitzen. Kugler's Geschichte der Malerei, für seine Zeit
eine noch höher anzuschlagende Leistung, ist heute fast
veraltet und war überhaupt nienrals auf erschöpfende
Detailerforschung einzelner Schulen angelegt. Waagen's
Handbuch der deutschen und niederländischen Maler-
schulen bedarf ebenfalls einer Ueberarbeitung, um die
Forschungen des letzten Decenniums in sich aufzunehmen.
Hotho's weit und tief angelegte Geschichte der christlichen
Malerei kam leider nicht zum Abschluß, und Förster
endlich kann trotz erstaunlichen Fleißes nicht seine volle
Kraft aus die Ergründung der einzelnen Werke der Ma-
lerei werfen, da er, wie z. B. in seinem neuesten Werke,
alle Gebiete der Kunst umsaßt. So sind uns also die
Werke des Engländers und Jtalieners nicht allein eine
ganz einzig reiche Quelle von Kenntnissen, die nicht
Jedem selbständig zu schöpsen vergönnt ist, sondern sie
dürfren uns auch ein Sporn und Vorbild sür ähnliche
Leistungen werden.

Haben wir nun die Selbsterkenntniß, dies einzusehen,
so brauchen wir freitich ebenso wenig zu verschweigen, daß
unsere deutsche Kunstgeschichte lange Zeit der Unterstützung
archivalischer Forscher von der Bedeutung eines Pinchart,
Wauters, Weale u. A. entrathen mußte. Erst seit wenigen
Jahren sind dafür auch bei uns Männer thätig, wie Loch-
ner, Baader, Ennen, Meyer, His-Heusler (wenn es erlaubt
ist,- diesen nächsten, uns so werth gewordenen Nachbar zu
den Unseren zu rechnen) und siehe, schon haben auch ein
Woltmann,. ein Thausing sich eingefunden. Jn ihren
bahnbrechenden Monographien dürfen wir sreilich erst
.Grund- und Ecksteine eines zukünftigen umfassenden Baues
erblicken, und die Geschichte der altdeutschen Malerei wird
so lange ihre Crowe und Cavalcaselle entbehren müssen,
als noch so viele wichtige Archive bei uns für Kunst-
forschung unsruchtbar bleiben. Wir sollten uns in dieser
Hinsicht ein Beispiel nicht allein an den Belgiern und
Holländern nehmen, sondern auch an den Franzosen und

namentlich an den Italienern, die fast in jeder bedeuten
deren Stadt Lokalsorscher besitzen, welche vor Allem die
Archive ausbeuten. Wie sieht es dagegen bei uns aus?
Ällerdings nicht jede Stadt, ja nicht einmal jeder Staat
nährt seinen Kunsthistoriker, aber so mancher Archivar,
Ortspfarrer u. dergl. könnte seine Mußestunden mit
Flüssigmachung des kostbaren kulturhistorischen Materials
aussüllen. Allein wie Viele haben Sinn dafür? Von
unseren Fabrikherren ganz zu schweigen, die meist Alles,
was ältere Kunst heißt, verachten und darüber ihr mo-
dernes Handwerk zu Grunde gehen lassen — aus Ge-
schmacksverkümmerung! Doch daran darf man nicht
rühren, ohne vornehm von ihnen belächelt zu werden;
auch ist dies ein Thema für sich und verdient zu an-
derer Zeit des Weiteren ausgeführt zu werden.

Heute kehren wir zu Springer und dem von ihm
eingeführten und bereicherten Werke zurück. Bereichert
nicht allein durch eine gute Vorrede, durch eine Menge
einschneidender Bemerkungen und Nachträge im Texl
und durch einen Anhang, der eine Sammlung von
Quellen giebt, sondern bereichert auch — und das ist
das Werthvollste — durch ein ganz neues Schlußkapitel,
„Rückschau und Ausblick" betitelt. Jener Anhang ent-
hält die ältesten zusammenhängenden Nachrichten, welche
sich über die niederländische Malerei des fünfzehnten
Jahrhunderts erhalten haben. Jhn beizusügen, gab dem
Bearbeiter seine Erfahrung und Fürsorge als Lehrer
ein; er will dem angehenden Kunstsorscher, dem Stu-
direnden an die Hand gehen, ihm langes Suchen und
Nachschlagen ersparen. Springer hat sich dadurch die
immer zahlreicher werdende Schaar verpflichtet, und gewiß
auch manchen älteren Herrn, der die BedrLngnisse einer
vielumworbenen öffentlichen Bibliothek aus Erfahrung
kennt. Für sein letztes Kapitel aber werden ihm Alle
dankbar sein, welche am Schlusse einer breiten, rein sach-
lichen Darstellung gerne in der 6a.m6vg, ob>8oui'g. eines
geistreichen Auges einen zusammensassenden Blick zurück
auf den Ursprung und ursprünglichen Zusammenhang
der Bilderreihe werfen, die ihnen vorübergeführt wurde,
und auch gerne darüber hinaus eine Perspektive auf
Nachbargebiete eröffnet sehen. Und wem sollte das nicht
willkommen sein? Ist doch Springer in solchen kültur-
historischen Bildern ein bekannter Meister»! Er wird es
deshalb auch nicht mißdeuten, wenn ich hier ausspreche,
was gewiß den Gedanken vieler mit enthält, daß er uns
ein noch willkommeneres Geschenk bereiten konnte, wenn
er die gedrängten und durch manche unbeantworteten
Fragen unterbrochenen Gedanken seines. Schlußkapitels
breiter ausgearbeitet, zur Gruudlage eines eigenen Buches
gemacht hätte. Man könnte sich keine erwünschtere Er-
gänzung, keinen schöneren Ausbau des Werkes von Crowe
und Cavalcaselle denken. Doch lassen wir uns durch
dieses äSLiäoi'ium, das ja kein xium zu bleiben braucht,
 
Annotationen