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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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255

Kunstliteratur.

256

die Freude an dem, was wir schon hente besitzen, nicht
kürzen, zumal der verehrte Autor es uns als Psand
seiner Wiedergenesung darbietet, wie er es in der Vor-
rede ausspricht und wozu wir uns und ihm von Herzen
Glück wünschen.

Jch halte es für meine Pflicht, hier folgen zu
lassen, was Springer am Schlnß der Selbstanzeige des
Buches im „Neuen Reich" an Nachträgen für dasselbe
Leibringt:

„Von dem sonst wenig bekannten Gerrit van Harlem oder
Sint Jans besitzt die Wiener Belvederegalerie das einzige,
ziemlich sichere Werk. Diesem nun entsprechen nach Crowe's
brieslicher Versicherung zwei Tafeln im Amsterdamer Mu-
seum so vollständig, daß sie nothwendig auf den gleichen Ur-
sprung zurückgeführt werden müssen. Sie führen dort die
Katalognummern 405 und 406 und schildern das eine die
Madonna mit Heiligen in einer überaus sorgfältig und fein
gezeichneten gothischen Kirche, das andere die Madonna mit
heiligen Frauen in einem geschlossenen Hofe. Der Besitzer der
Madonna mit dem Lösfel, welche ich Gerard David zuschreibe,
ist, wie ich aus dem Kataloge der Pariser Ausstellung zu
Gunsten der Elsässer 1874 ersehe, die Herzogin Galliera.
Die interessanteste ergänzende Notiz betrisft aber Aie köstliche
Handzeichnung, welche das Dresdener Kabinet von Jan van
Eyck besitzt. Dieselbe gehört zu dem Porträt eines alten
Mannes im Wiener Belvedere und darf als Karton, welchen
der Künstler vor der Ausführung in Farbe entworfen hat,
gelten. Auf der Handzeichnung besinden sich wie über dem
Kopfe, so links seitwärts Schriftzüge, welche ich zunächst nicht
entzissern konnte. Auf meine Bitte ließ der Repräsentant
des berühmten Dornacher Photographen Braun, Herr Oexle
in Leipzig, das Blatt namhaft vergrößert photographiren,
so daß die seitwärts angebrachte Schrift (fünfzehn Zeilen)
deutlicher vortrat. Da ergab es sich denn, daß dieselbe in
vlämischer Sprache genaue Anweisungen der Farbe des Kopfes
enthielt. Die einzelnen entzisferten Worte beziehen sich theils
auf Gesichtstheile: Z. 5 van den ouge, Z. 13 Wangen, die
Lippen, theils auf das Kolorit: Z. 4 purpurachtig, Z. 10
geelachtig, Z. 13 witachtig. Auch die auf der Zeichnung wie
auf dem Bilde vortretenden Bartstoppeln werden erwähnt:
Z. 14 „die stoppelen van den barde". So gewinnt es den
Anschein, als ob Jan van Eyck dem Modell das lange Sitzen
hätte ersparen wollen und sich sür die weitere Ausführung
die Lokalsarben notirte. Jn diesem Falle wäre die vollkom-
mene Naturwahrheit und unmittelbarste Lebendigkeit des
Porträts doppelt staunenswerth, ja kaum begreiflich."

Dwsen Nachträgen schickt Springer Zweifel voraus
darüber, ob Avischen dem Münchener Lnkasbilde und
dem Pariser Gemälde der Madonna mit dem Kanzler
Rollin nicht doch eine engere Beziehung walte, als Crowe
und Cavalcaselle annehmen. Meint er damit, es ver-
dankten, wie man srüher annahm, beide Werke einer
Hand ihr Dasein und zwar der Jan van Eyck's, so
hat er, nach meiner Ansicht, nicht Recht. Jch halte die
dermalige Vertheilung an Roger van der Weyden (Lukas-
bild) und Jan van Eyck (Madonna) unbedingt für die
zutreffende. Will er aber sagen, es habe zwischen den
Urhebern beider Bilder eine sehr nahe Beziehung ob-

gewaltet, so stimme ich aus voller Ueberzeugung bei, und
zwar nicht allein wegen der sehr verwandt arrangirten
Lokale, in welchen die Scenen vor sich gehen und wegen
der so ähnlichen landschaftlichen Hintergründe, sondern
weil die Beschasfenheit ihrer Werke überhaupt zur An-
nahme zwingt, daß Roger, wenn auch der persönliche
Schüler Robert Campin's, doch ein intelleklueller Nach-
solger der van Eyck gewesen. Ohne van Eyck kein
Roger. Damit fällt für mich auch die Nothwendigkeit
der Unterscheidung einer Schule von Flandern und einer
solchen von Brabant weg.

Ueber die Madonna mit Petrus, Johannes d. T.
und den Aerzten Cosmas und Damian von Roger van
der Weyden in der Sammlung Middleton ist mir nichts
Näheres bekannt, die gleiche Darstellung aber im Stä-
del'schen Jnstitut zu Franksurt ist gewiß von demselben
Meister.

Es bleibt mir noch übrig, an die Verfasser unseres
Buches selbst mich zu wenden. Dabei kann natürlich
nicht die Meinung sein, hier Disferenzen in der Be-
stimmung einer Menge von Bildern austragen zu wollen,
die sich etwa zwischen ihrem Urtheil und dem mei-
nigen erheben könnten. Dazu gebräche es an Raum
und wohl an theilnehmendem Publikum. Auch könnte
man mit Recht eine solche Absicht als Unterfangen gegen-
über diesen erprobten Kennern bezeichnen. So greife
ich aus der Fülle des Stoffes nur das mir Nächstlie-
gende heraus, um mein Jnteresse am Ganzen darzu-
legen.

Die Bathseba aus dem Bade steigend im Stutt-
garter Museum ist doch wohl, nach Waagen's richtiger
Bestimmung, ein Memling, und nicht der Schule des
Quentin Massys angehörig, wie sich Crowe und Caval-
caselle gewiß selbst überzeugen würden, wenn sie das
schon durch seine ungewöhnlich großen Dimensionen so
interessante Bilo von Neuem einer genauen Prüfung
unterziehen könnten.

Sehr e'rfreulick war es mir zu lesen, daß sie, was
auch meine Ansicht, die Horebout getaufte Anbetung der
Könige in der alten Pinakothek zu München (Katalog-
nummer 45) dem Gerhard David zuerkennen. Ueber-
raschend aber ist mir die Art, wie sie das Bild be-
schreiben. Zuvörderst hält Joseph nicht „eine empfan-
gene Opfergabe" (wie soll er denn dazu überhaupt
kommen?), sondern einfach seine Mütze in der Hand.
Ferner ist der grinsende Mann am Fenster nicht
„stark geröthet", sondern wettergebräunt wie jeder.
Hirte. Auch ist das ganze Bild nicht in einem „röth-
lichen Ton" gehalten, sondern in sehr fein gestimmtem,
harmonisch gedämpftem, von einem gewissen melancho-
lischen Charakter, wie er diesem merkwürdigen Meister
in mehreren seiner Bilder eigen. Endlich konnte ich
keine „scharf gezogenen Umrisse", sondern so weit es
 
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