Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
257

Kunstliteratur.

258

der Zustarid des Bildes von einst vornehmer Schönheit
gestattet, nur weiche Modellirung, keine „kurzen", son-
dern richtige Proportionen, keinen „dicken", nicht einmal
einen sonderlich pastosen Anftrag und keine „bunten",
sondern wie gesagt nnr mild gebrochene Kleiderfarben
entdecken. Das Ausfallendste aber, was den Verfassern
mit diesem Gemälde passirte, ist, daß sie, indem sie es
hier S. 350 dem G. David zuerkannten, vergaßen, wie
sie es schon S. 127 folgendermaßen abgethan hatten:

„Die Anbetung der Könige muß viel tiefer gestellt merden
und rührt von einem Nachahmer der altflandrischen Meister
her, ivelcher in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhun-
derts lebte und malte."

Die in der Münchener Pinakothek dem Gerrit van
Sint Jans zugetheilten, von Crowe und Cavaleaselle aber
unbenannt gelassenen Werke hätten leicht bestimmt werden
können. Das Mittelbild mit der Grablegung Christi ist
von einem kölnischen Meister aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts, der svwohl im Museum seiner Heimat als
in München noch öfter vorkommt. Die Flügel jedoch
gehören gar nicht zu diesem sogenannten Mittelbilde,
sondern sind etwa>— ein Vierteljahrhundert jünger,
und zwar von der Hand des Bart holomäus Bruhn-
Dies zu unterscheiden, hätte für den Verfasser des Mün-
chener Kataloges nicht zu schwer sein sollen, mit Händen
zu greifen aber war sür ihn die Wahrnehmung, daß
das mittlere Bild schon seine eigenen Donatoren hat
und deshalb keine Flügel mit einer Menge abermaliger
Donatoren brauchte, ja unter keinen Umständen brauchen
kann.

Die beiden andern Tafeln endlich, die in demselben
Kataloge dem Gerrit verschrieben werden, und die Cr.
u. C. beiläusig auch erwähnen, eine Pietu und Christus
am Oelberge, sind ebenfalls von einem kölnischen Meister
aus dem Ende des 15. Jahrhunderts.

So viel über einzelne Gemälde, und ich würde
damit das ohnehin lange Referat beschließen, wenn
mir nicht noch ein besonderes Anliegen das Herz
beschwerte. Es ist das wegwersende Urtheil, welches
die Verfasser über die künstlerische Qualität des Dierick
Bouts fällen. Man kann ja über einzelne, selbst über
viele Gemälde der verschiedensten Meinung sein, indeß
über eines hervorragenden Künstlers Gesammtindividua-
lität, über die klar zu Tage liegenden Eigenschaften,
wie sie sich an der Mehrzahl seiner Werke ausweisen
lassen, so diametral auseinander lausende Ansichten hören
zu müssen, das sollte unserer ohnehin von Subjektivismus
stark angekränkelten Wissenschaft erspart bleiben. Da
muß ich denn gestehen, daß es mir unbegreiflich und
bei dem Respekt, den ich für den feinen Blick Cavalca-
selle's und Crowe's hege, wahrhaft schmerzlich ist, den
ebengenannten Meister, für dessen vor Allem malerische
Qualitäten ich stets die größte Bewunderung sühlte,

gerade in diesem Punkte getadelt, ja verurtheilt zu
sinden. Leider kann ich meine Ansicht über diesen Punkt
jetzt nicht mehr näher begründen, sondern nur kurz in die
Antithese zusammenfassen: Dierick Bouts ist für mich der
größte Maler (im spezifischen Sinne) unter den Nach-
folgern der van Eyck. Gegen die tiefe Gluth, das
leuchtend Warme seines Kolorits erscheinen selbst Memling
und namentlich Roger van der Weyden Lunt und kalt.
Auch hat gewiß nicht Bouts von Memling (ein wie feines
Farbengefühl diesem auch eigen), sondern umgekehrt
Memling von ihm gelernt, zumal Bouts osfenbar der
ältere ist.

Die Ausstattung des Buches iu Druck und Papier
ist sehr gut, die Abbildungeu, sechs Phototypien von Ober-
netter in München nach Lithographie, Stich und Photo-
graphie ausgeführt, weit instruktiver als die kleinen
Umrißstiche der englischen Ausgabe. Nur ist zu bedauern,
daß nicht auf jeden Hauptmeister wenigstens eine fällt.

Oskar Eisenmann.

La.xiänrinM ssxlsnlrionals: or u ässeription ot'
tÜ6 nronuni6nt8 ok U.onrun rnlo in tÜ6 nortll
ok lÜnAlunä. Undlislloä tllo sooiot^ oü
unti(^nuri68 ok X6V^6L8ll6-NP0N-1^N6. Ronäon
unä 1^6'cvou8tl6-npon-sl'^n6, 1875. Folio. XVI
und 492 S. mit 15 großen Tafeln und über 900
in den Text eingedruckten Holzschnitten.

Der stattliche Band, welchen wir hier anzeigen,
ist wieder einmal recht geeignet, uuseren Neid zu erregen
durch den prächtigen, soliden Luxus in Druck und Pa-
pier, durch die zahlreichen vortrefflichen Taseln und
Holzschnitte, bei denen nur zu bedauern ist, daß nicht
immer die dargestellten Objekte der aufgewandten Mühe
ganz werth sind. Und ein solches Werk giebt in Eng-
land eine Gesellschaft von Alterthumsfreunden in einer
Provinzialstadt heraus, unterstützt freilich in wahrhaft
sürstlicher Weise von den Herzögen von Northumberland,
Vater und Sohn, und andern nodl6M6n und A6ntl6ni6n
der vier nördlichen Grafschaften: alles Zustände, von
denen wir leider in Deutschland noch weit entfernt stnd!

Das Werk enthält die Inschriften nnd sämmtliche
irgendwie wichtigeren Skulpturen und sonstigen Fund-
stücke aus der Zeit der Römerherrschast in den vier
nördlichen Grafschaften von England: Northumberland,
Durham, Cumberland und Westmorelaud, im Ganzen
943 Objekte. Und zwar sind dicselben in geographischer
Reihenfolge angeordnet, indem zuerst der Linie des Ha-
drianswalles von Osten nach Westen nachgegangen wird,
und dann die Nationen nördlich und südlich desselben,
den noch erkennbaren Straßenzügen folgend, ausgezählt
werden. An jedem Fundort folgen auf die Aufzählung
der Altäre für die großen Götter die Erwähuung der
Altäre und Inschriften für die niederen Götter, dann
 
Annotationen