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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Rosenberg, Adolf: Die Berliner Nationalgalerie, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0222

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431

Kunstliteratur.

432

hat er ihm wahrscheinlich in solcher Höhe vorgeschwebt,
daß er nichts mehr von ihm wahrnehmen konnte.

So schwer und unentschuldbar die an den Reliess
gerügten Verstöße auch sind, so würden wir sie dennoch
einer milderen Beurtheilung unterzogen haben, wenn der
künstlerische Werth der Reliefs nns für die an der Kunst-
geschichte begangene Versündigung theilweise entschädigte.
Leider ist dies nicht der Fall. Jn der Komposition
osfenbart sich ein sehr untergeordneter Geist, und die
stilistische Behandlung widerfpricht den einsachsten Ge-
setzen des Reliefstiles. Dazu kommt ein aussallender
Mangel an formaler Schönheit. Die süngste Ver-
gangenheit hat gerade aus dem Felde des Reliefs so
hervorragende Schöpfungen gezeitigt, daß es uns voll-
kommen unbegreislich erscheint, wie die Skizze des Schulz'-
scheu Reliefs zur Ausführung bestimmt werden konnte,
nnd nicht vielmehr noch zur rechten Zeit ein b ewahrter
Meister mit der Ausgabe betraut wurde. Das Relief
ist in französischem Kalkstein geschnitten.

Ueber diesem Nelief zieht sich unmittelbar unter
der Decke etn von Strack komponirter Arabeskenfries
(Adler mit Kandelabern und Blattornament) hin, welcher
von Salviati in Glasmosaik ausgeführt ist. Auf den
Säulenkapitälen liegt ein Epistylion und darüber ein
ornamenlirter Fries, dessen Relief leider zu flach ge-
halten ist, um von folcher Höhe herab zu wirken. So
lange Strack nicht farbig zu komponiren braucht, zeigt
sich sein Erfindnngstalent meist von einer glücklichen
Seite. Hinwiederum hat es ihn bei dem Entwurfe des
Gitterthores, welches den Eingang miterhalb der Frei-
treppe verschließt, im Stich gelassen. Gerade die Schmiede-
kunst hat sich neuerdings unter dem Einflnsse der Pri-
vatarchitektur zu einer sehr erfreulichen Höhe empor-
gearbeitet. Der Architekt der Nationalgalerie scheint
von diesem Aufschwung zum Nutzen des Gebäudes keine
Notiz genommen zu haben.

Unmittelbar vor der Vorhalle bilden zwei in Sand-
stein ausgeführte weibliche Figuren den Abschluß der
Freitreppe, welche die Erfindung und die Ausführung
des Kunstwerkes, den Kunstgedanken und die Kunsttechnik
personificiren. Die Figur zur Linken des eintretenden
Beschauers ist ein Werk Moser's, die andere ein Werk
Calandrelli's. Erstere zeichnet fich durch hohe Formen-
schönheit, ein niemals fehlender Vorzug des Moser'schen
Talentes, aus. Den Podest der Freitreppe soll eine noch
nicht vollendete Reiterstatue Friedrich Wilhelm's IV.
von Calandrelli schmücken.

Es erübrigt noch, um die Beschreibung der äußeren
Gestalt der Nationalgalerie zu schließen, die Bemerkung,
daß das Gebäude aus röthlichem Nebraer Sandstein
ausgeführt ist. Adolf Rosenberg.

kunstliteratur.

Grueber, B., Die Elemente der Kunstthätigkeit.

Leipzig, F. A. Brockhaus, 1875. IX und 290 S. 8.

Das Buch ist bestimmt, an der Münchener Akademie
der Künste, an welcher der Verfasser seit Jahren wirkt,
als Lehrbuch zu dienen, durch welches die Gefetze
des Sehens, der Farben und der Formenbildung in
leichtfaßlicher Weise erklärt werden, und welches den
Vorträgen des Verfassers als Leitfaden dienen könnte!
Diese Absicht erklärt hinreichend den ersten, mit Sach-
verständniß gegebenen, in feinem Vortrag klar ge-
haltenen Theil. Die Mittheilung ist in dogmatischer
Form gegeben, wie es sich sür ein Buch solchen Zweckes
gehört: bleibt doch dem Bortrag des Lehrers der volle
Spielraum, je nach Bedürfniß seines Publikums die
Sache zu vertiefen und die gegebenen Lehren zu be-
gründen. Sollte aber dieser Charakter vorherrfchen, so
wäre es vielleicht räthlich gewesen, auch Manches dem
Vortrag des Redners zu überlassen, was doch auf nicht
mehr als auf eine poetisch empfundene, geistreiche Auf-
fasfung der Dinge Anspruch machen dars, keineswegs
aber auf wissenschaftliche Gültigkeit, wie die sehr hübsche
Parallele zwischen dem im Verlauf des Jahres sich ent-
wickelnden Farbenfpiel in der Natur und dem im VerT
lauf des Lebens sich offenbarenden Farbenspiel am
Menschen S. 20 ff. Etwas verwunderlich werden des
Verfasfers Anschauungen, wenn er von seinem nächsten
Thema abschweift und auf das Gebiet der Theorie über-
geht. So bei der Newton'schen Farbenlehre. Wenn ein
Goethe stch in recht ungemessenen Ausdrücken gegen New-
ton nnd desfen Anhänger ausläßt, wenn Schopenhauer
womöglich noch fchärfer in's Zeug geht, so waren das
schöpferische Geister von folcher Größe, daß man diese
kleinen Schattenseiten übersieht, ohne sie darum weniger
wegzuwünschen. Wenn aber Grueber für die Goethe'sche
Farbenlehre eintritt und dabei über die Gelehrten mit
Sätzen herfällt, wie: „Der Dichter hatte keine Jdee von
dem Schlendrian der Schulmänner und Stubengelehrten,
von ihrem Widerwillen, selbst zu denken und eigene Ver-
suche anzustellen —", wenn er die Nichterwahnung
Goethe's in einer Reihe physikalischer Werke als eine
Rache hinstellt, welche die „Mathematiker und Physiker
vom Fache" an dem Dichter ausübten, weil sie ergrimmt
waren „über die Zurechtweisungen, welche derselbe einem
ihrer Koryphäen angedeihen ließ", so klingt das keines-
wegs pathetisch, fondern komisch. Wie einer unserer
größten Physiker über Goethe als Natursorscher geur-
theilt hat, möge Grueber aus dem trefflichen Aufsatz
von Helmholtz „Ueber Goethe's naturwissenschaftliche
Arbeiten" (Populär-wissenschastliche Vorträge, Heft I)
ersehen: er sindet dort zugleich den Fundamentalirrthum
Goethe's in der Farbenlehre klar dargelegt, bei voll-
 
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