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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Bergau, R.: Kupferstiche von Wenzel Jamnitzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0244

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475

Kupferstiche von Wenzel Jamitzer.

476

sertigt, welche ebenfalls von Jost Amman in Kupfer
radirt sind. (Andresen, Deutscher Peintre-Graveur Bd. I,
Seite 126—29.)

Für jeden unbefangen Denkenden wird es schon
nach dem Vorhergehenden in hohem Grade wahrscheinlich
sein, daß W. Iamitzer auch in Kupfer gestochen hat,
mögeu Abdrücke seiner Platten noch erhalten sein
oder nicht.

Aber es lassen sich auch Kupferstiche vou ihm nach-
weisen. Brulliot (Dietionnuirs ckos inonoArninrn68,
Bd. I, Nr. 210l) und nach ihm Nagler (Künstler-
Lepikon, Bd. VI, Seite 406 und Monogrammisten
Bd. II, Seite 326) beschreiben, freilich ungenau, einen
Kupferstich, welcher „^Vbneisel duinni626n Is. 1551"
bezeichnet ist. Dieser Kupferstich *) von -höchster Seltenheit
besindet sich in der Kupferstich-Sammlung des kgl. Mu-
seums zu Berlin. Es ist eine Radirung (Platte
0,24 M. hoch, 0,126 M. breit), welche eine Art Triumph-
bogen in edelster Renaissance-Architektur von sehr ge-
falligen Verhältnissen darstellt, der in freier Weise
mit Motiven aus dem im Jahre 1544 zu Venedig er-
schienenen Werke Serlio's (Hs^ole A6N6ruIi cki I.rolli-
toktnru) komponirt ist. Aus einer mit orientalischen
Ornamenten geschmückten Basis erhebt sich ein regelrecht
gegliedertes Postament, dessen Füllungen reich ornamen-
tirt sind, und auf demselben stehen zwei reich geschmückte
Säulen, welche ein Gebälk mit Triglyphenfries und ein
einfaches Gesimse tragen. Zwischen den Säulen be-
sindet sich noch eine Bogenstellung auf Pfeilern. Jn
den Zwickeln über dem Bogen sind zwei sitzende Vic-
torien angebracht, welche einen Kranz und Lorbeerzweige
halten. Unter dem Bogen besindet sich ein kleines Posta-
ment, das jedoch leer geblieben ist. Das Ganze**) macht
den Eindruck, als sei es nur als Studie — Jamitzer
beschästigte sich in jener Zeit viel und eingehend mit der
Architektur — gemacht und nicht ganz vollendet worden.
Zugleich scheint diese Radirung ein Versuch, gleichsam
eine Vorarbeit für die sogleich zu erwähnenden, bald

I Eine mittels Photographie-Druck hergestellte getreue
Nachbildung desfelben bringt das soeben uns zugehende
Werk von I. E. Wessely: „Das Ornament und die Kunst-
Jndustrie in ihrer geschichtlichen Entwicklung auf dem Gebiete
des Kunstdrucks".

**) Genau denselben architektonischen Ausbau hat auch
das Schmuckkästchen im Grünen Gewölbe zu Dresden (Ka-
talog von Landsberg, Dresden 1851, Seite 65), eine der
vorzüglichsten Arbeiten Jamitzer's. — Der Triglyphenfries
allein findet fich auch an dem aus Nagler's Besitz stammenden
Schmuckkästchen von Jamitzer im Gewerbemufeum zu Berlin
und dem großen Pokal im Befitz des deutschen Kaisers (See-
mann's deutsche Renaisfance, Abth. Nürnberg, Tas. 65—67)
und (als unberechtigte Nachbildung eines Anderen) auch an
dem Schmuckkästchen in der Schatzkammer zu Stuttgart (Spe-
mann's Kunsthandwerk, Bd. I, Taf. 20.)

darauf ausgeführten Kupferstiche, Arbeiten mit dem
Grabstichel, zu sein.,

Viel wichtiger als dieses interessante Blatt ist
eine Anzahl überaus seltener und daher wenig be-
kannter Kupferstiche ohne Namen oder Monogramm,
welche, wie alle sogenannten Ornamentstiche des 16.
Jahrhunderts, bis vor Knrzem wenig geachtet waren,
nnd deren Autor als unbekannt galt. Und in der That
konnte Jamitzer als Verfertiger derselben auch nur von
Jenen erkannt werden, welche die Kunstweise Jamitzer's
genau kennen, was nach dem bisherigen Stande der
Kenntniß der Kunstweise dieses Meisters kaum möglich
war. Man kannte Jamitzer's Stil bisher eigentlich nur
aus dem Merkel'schen Tafelaufsatze, welcher ohne Zweifel
ein Unicum ist und war, also für das Kennenlernen
der Kunstweise des Meisters wenig geeignet ist, über-
dies, bis vor Kurzem unter Verschluß eines Privat-
mannes, dem wirklichen Studium nur schwer zugänglich
war. Zudem legte man, auf eine Notiz Neudörfer's
sich stützend, das Hauptgewicht in der Kunstweise Ja-
mitzer's auf häusige Anwendung von sehr sorgfältig in
Silber gegossenen kleinen Pflanzen und Thieren. Die
Folge davon war, daß diesem Meister eine große An-
zahl zum Theil sehr vortresslicher Arbeiten zugeschrieben
wurde, welche nicht von ihm herrühren, und andere,
eigene Arbeiten als solche nicht erkannt wurden. Erst
durch das sorgfältige Vergleichen ver an dem Merkel'schen
Tafelaufsatze vorhandenen tektonischen und dekorativen
Kunstformen, welche wesentlich anders sind, als an den
meisten anderen Nürnberger Goldschmiedearbeitcn des
16. Iahrhunderts, mit den ähnlichen Formen an ge-
wissen Werken der Goldschmiedekunst jener Zeit und
alten Zeichnungen zu solchen, welche, wie der Kaiser-
pokal in Berlin und eine große Zeichnung zu einem
Taselaussatze in Basel, erst in den letzten Jahren be-
kannt geworden sind, wurde es möglich, den Charakter
der Kunstweise dieses Meisters kennen zu lernen und
darnach nun andere Arbeiten, darunter auch eine Reihe
von vortresflichen Kupferstichen als seine Werke zu er-
kennen. Es sind dies die Blätter*) des sogenannten
„Meisters vom Jahre 1551", d. i. eine größere Folge
Darstellungen von Pokalen, Doppelpokalen, Schalen,
Kannen, Flaschen, Leuchtern und Aehnlichem, also Ent-
würsen zu Lupusgeräthen, meist zum Schmuck der Kre-

*) Jch stehe mit meiner Ansicht nicht vereinzelt da. Ganz
abgesehen davon, daß diese Blätter in dem Auktionskataloge
der Sammlung E. Posonyi dem W. Jamitzer zugeschrieben
werden, hält auch I. v. Hefner-Altenek, einer mündlichen
Aeußerung zufolge, sie sür Arbeiten dieses Meisters. Schon
Reynard bezeichnet sie als Arbeiten eines „Oravour ot Or-
kevro cko lMrornlmrA." — Uebrigens sehlen bis jetzt alle
gründlichen Untersuchungen über die Ornamentstiche des 16.
Jahrhunderts.
 
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