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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Bergau, R.: Kupferstiche von Wenzel Jamnitzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0245

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477

Kupferstiche von Wenzel Jamitzer.

478

^ denz- oder Schautische, wie sie im 16. Jahrhundert
sehr häufig als Ehrengeschenk verwendet, von den Gold-
^ schmieden oft gefertigt wnrden. <

Diese Blätter sind, wie erwähnt, im höchsten Grade
selten, scheinen in Deutschland kaum noch irgendwo voll-
- ständig vorhanden zu sein, sind auch nirgend vollständig
verzeichnet. Das königl. Kupferstichkabinet zu Berlin
besitzt deren 15, dasjenige zu München nur 9, das
österreichische Mnseum hat deren 16; Passavant (Peintre-
Graveur Bd. IV, Seite 294) beschreibt deren nur 9;
im Auktions-Katalog der Sammlung Edmund Posonyi
(vom 24. Oktober 1872) sind deren 22; in dem Auk-
tions-Katalog Santarelli (vom 27. November 1871)
deren 9 verzeichnet. Ritter v. Lanna in Prag endlich
besitzt von diesen Blättern 25, welche derselbe in libe-
ralster und nicht genug anzuerkennender Weise mir
für längere Zeit zum Studium anvertraut hat. Herr
Joseph Klinkosch in Wien soll deren noch mehr be-
sitzen, doch wurde es mir nicht vergönnt, dieselben
zu sehen. Da es jetzt Mode geworden ist, Ornament-
stiche zu sammeln, wurden diese Blätter wegen ihrer
Seltenheit*) im Handel sehr hoch, einzelne mit 50 und
manche bis zu 83 Thlr. bezahlt. Jn der Auktion Ed.
Posonyi in München im Jahre 1872 wurden 22 Blatt,
excl. 5 Proc. Aufgeld, um 2229 sl. gekauft.

Die Existenz pon etwa 30 Blättern dieser Folge
kann ich nachweisen. Nach einer Notiz im Katalog Reynard
soll es deren wenigstens 40 geben. Das eine Blatt trägt
die Nummer 30 und ein aus den Buchstaben II.I.L
und I) zusammengesetztes Monogramm (das Mono-
gramm bei Brulliot I, Nr. 855 ist nicht richtig) und
die Iahreszahl 1558, während alle übrigen, so weit sie
mir zu Gesichte gekommen stnd, ohne jedes Zeichen sind.
Die Zeichnung dieses Blattes ist ohne Zweifel von
demselben Meister, wie die übrigen; die Behandlung
des Kupserstiches ist von den anderen Blättern etwas
abweichend, doch nicht so sehr, daß man den Kupferstich
einem anderen Meister zuschreiben müßte. Das Mono-
gramm macht fast den Eindruck, als sei es nicht ur-
sprünglich, sondern erst später auf die Platte gesetzt
worden.

Das (in Wien vorhandene) Titelblatt trägt die
Ausschrift:

INMANS 3.6 xlluns novurn 0^U8 erutoro A1'3-

*) Vier dieser Blätter sind bei Reynard, Ornenisnts äes
nneiens inaitrss, xl. 73, 74, 81 und 82 in Kupferstich ko-
pirt, zwei andere von dem Oesterreichischen Museum für Kunst
und Jndustrie in Photolithographie vervielfältigt worden;

> einige andere sind in Weiß' Kostümkunde, Bd. III, S. 872
i und 880 und darnach in Lübke's Deutscher Renaissance,

> Seite 100, in verkleinertem Maßstabe in Holzschnitt reprodu-
; zirt worden. Eine größere Anzahl derselben erscheint in dem
i oben erwähnten Werke von Wessely.

p)liiouiu. liill iiov- Lunstduoli ckur Inuou Xuust-
roioli ooutruloot uuuä l)ilckuu8 vou ullorlo^ TruulL-
^68oliiru oto. Ibt^uuä 61'8t vou 116^6ll 3U8?IA3llF6ll
Ullllä ^eäruollt 2U Hürnlloi'A lellllo Olirmti 1551. ^

Die Blätter gehören demuach zu einer Folge,
waren ursprünglich vielleicht bestimmt, ein Buch zu
bilden, obgleich die Platten ihrer Größe nach, welche
zwischen 0,08 und 0,43 M. Höhe wechselt, außerordentlich
verschieden sind und, wie es scheint, nicht numerirt
waren.

Diese Entwürfe bewegen sich durchans in dem Kreise
von Formen, welche man jetzt als dem Jamitzer ange-
hörig anzunehmen vollkommen berechtigt ist. Sie stim-
men mit jenen an dem Merkel'schen Tafelaufsatze vor-
kommenden Einzelformen und den mir bekannten mit
Monogramm und Jahreszahl versehenen Handzeichnungen
des Meisters so sehr überein, daß an der gleichen Autor-
schaft aller nicht zu zweifeln ist.

Diese Entwürse sind durchaus originell, völlig
anders als das, was vor dem Auftreten Jamitzer's in
der Nürnberger Goldschmiedekunst üblich gewesen war.
Die Gesammtform ist. meist sehr edel; die Profile sind
stets sehr energisch und elegant. Die Ornamentik ist
reich, ordnet sich jedoch der Gesammtform stets in ver-
ständnißvoller Weise unter. Charakteristisch sind neben
der angedeuteten, aus direktem Einslusse aus Jtalien
beruhenden Weise der Profilirung, welche in Nürnberg,
einige wenige Zeichnungen von A. Dürer ausgenommen,
nur dem Jamitzer und seinen Scbülern eigen zu sein
scheint, eine, wie es scheint dem Mantegna entlehnte,
ost vorkommende senkrechte Theilung der Glieder durch
kannelürenartige Ornamente, bei größeren senkrechten
Flächen, auch chohl Bogenstellungen, häufige Anwen-
dung streng antiker Ornamente aus den kleinen Glie-
dern, besonders des Eierstabes, des Laubwerkes auf
Wulsten und eines bestimmten orientalischen Ornaments
(in Gravirung oder Email auszusühren), östere Anwen-
dung von Schuppen, Flechtwerk, Fruchtgehängen, auf-
gelegten Muscheln, auch wohl Adlern. Auffallend sind
die ost vorkommenden Kartouchen, welche verschiedene
Köpfe, Masken, Löwenköpfe, orientalisches Ornament
oder Flechtwerk einschließen. Als Bekrönung der Deckel
sindet sich oft eine kleine Vase von einförmiger Gestalt
mit einem Blumenstrauß. Schlangen, Eidechsen, Frösche,
Schildkröten und andere kleine Thiere und Pslanzen,
deren Vorkommen man sonst (sich auf Doppelmayr
stützend) wohl als sür den Meister bezeichnend ausge-
geben hat, kommen nur selten vor.

Jm Allgemeinen zeugen diese Entwürfe von spru-
delnder Erfindungsgabe, ja Genialität, und sind des
großen Namens in jeder Beziehung würdig. Ja, aus
diesen Blättern erst erkennt man mit voller Klarheit die
hohe Bedeutung Jamitzer's als schaffender Künstler.
 
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