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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0272

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Sammlungen und Ausstellungen.

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sind insgesammt mit jener technischen Sanberkeit nnd
peinlich genauen Naturnachahmnng gemalt, die stets
ein dankbares Publikum sinden und, was die Hauptsache
ist: Käuser. Oskar Berggruen.

Sammllmgen und iAussteUungen.

^ Münchener Kunstverein. Wir haben zunächst noch
über einige interessante Erscheinungen aus dem letzten Vereins-
jahr zu berichten. Da war erstlich eine Anzahl älterer und
neuerer, vollendeter und unvollendet gebliebener Arbeiten
Aug. v. Bayer's mit all' ihren Licht-'und Schattenseiten.
Da war ein tresflich komponirtes und meisterhaft gestimmtes
Bild unseres wackeren Lindenschmit: „Luther wird als Kind
von seinen Eltern in das Kloster der grauen Brüder zu
Magdeburg gebracht (1497)", ein Werk voll Kraft und tiefer
Bedeutsamkeit, das Ergebniß eingehender künstlerischer und
kulturhistorischer Studien, voll Ernst und Strenge und da-
bei durch köstliche Jndividualisirung packend und fesselnd.
Gleichzeitig damit hatte Julius Benczur „Die Taufe des
nachmaligen heiligen Königs Stefan 1. von Ungarn" aus-
gestellt, ein Bild, das hinsichtlich der Farbe und der Technik
ntles überslügelt, was von Piloty und seiner Schule bisher
geleistet worden. Weit schwächer aber erscheint Benczur's
Arbeit in Bezug auf Komposition, Charakteristik, Zeichnung
und kulturhistorische Wahrheit. Der Künstler hat es zu sehr
auf theatralischen Effekt abgesehen, hat sich zu sehr an seine
Modelle gehalten und es mit Zeichnung und Kostüm allzu
leicht genommen. Sein Vajk taufender Bischof trägt z. B.
eine Jnful von der Form wie sie erst zu Ende des sieb-
zehnten Jahrhunderts erscheint, zu Anfang des elften aber
noch absolut unbekannt war. Und es ist dieser Anachronis-
mus nicht das Einzige, was stört: die ganze Scene hat etwas
an die Periode des Zopfes Erinnerndes. — Frau Jerichau-
Baumann hat von ihrem bedeutendcn Talent, das ich gern
anerkenne, in ihrer halbnackten „Odaliske im Serail" gar
wenig zur Geltung gebracht. Abgesehen von vem verhältniß-
mäßig viel zu großen Oberkörper und der unglücklichen Ver-
kürzung des einen Beines läßt auch der koloristische Theil
des Bildes viel zu wünschen übrig. Der männliche Geist
der wackeren Künstlerin und der rein sinnliche Gegenstand
Harmoniren nicht mit einander, so daß wir in diesem Bilde
kaum die Künstlerin wieder erkennen, welche die „Schisf-
brüchigen" geschaffen. — M. Adamo nahm sich in seiner
° „Gestörten Gelehrsamkeit" Mieris zum Vorbilde und malte
den Atlasrock der Dame, welche den Kavalier zur Unter-
brechung seiner Studien zwingt, mit wirklicher Virtuosität;
dagegen ist es ihm nicht gelungen, in dem Beschauer sür
seine Personen Jnteresse zu erwecken. — Aus dem Gebiete
der Landschaft wären rühmend zu erwähnen: drei warm
empfundene Bilder von Baisch, eine Morgen- und eine
Abendlandschaft, dann eine Landschaft mit Kühen, eine Partie
am Starnberger-See von Aug. Seidel, eine Partie aus
dem schottischen Hochlande von Paul Weber, ein prächtiger
Park von Hennings, ein duftiger Herbstmorgen im Frei-
singer Moos (Moor) von Langko, eine höchst bedeutende
Winterlandschaft von Ad. Lier, eine Partie an einem Birken-
wäldchen von Heinisch, ein sehr sein gestimmtes Bildchen
von Ludw. Sckell, eine Partie am Chiemsee von Rob.
Schleich, eine ernst gehaltene Landschaft von Staebli, ein
anmuthiges Frühlingsbild von Paul Koken, eine treffliche
Mondnacht am User von Stademann, zwei höchst originelle
Bilder von E. v. Ransonnet: Fahrt der österr. Gesandt-
schaft nach dem königlichen Palaste zu Bangkok (in Siam)
und: Morgen am Ganges in Benares. Die eigentliche
Marine aber war durch eine „Bewegte See" von Baron v.
Tiesenhausen glänzend vertreten, während Schoenleber
durch eine sehr sauber gemalte Partie aus Venedig die Archi-
tekturmalerei repräsentirte. Pohle in Weimar brachte ein
geistvolles Porträt chon Jul. Große, und Manuel erwies
sich, obwohl noch jung, durch das Bildniß des vr. Kerschen-
steiner als eine vielversprechende, schon jetzt schätzbare Krast.
Endlich hatte die Zettler'sche Hofglasmalerei ein schönes
Fenster mit Porträt und mehrere Farben- und Golddruck-
blätter ihres berühmten Schatzkammer-Werkes ausgestellt.

.— Unter den seit Beginn des neuen Vereinsjahres ausge-

stellten Kunstwerken sind folgende zu nennen. W. Marc's
„Aphrodite" war allerdings von durchaus moderner Auf-
sassung; wer möchte aber bei so vieler Anmuth in Form und
Farbe mit einem Epigonen darüber rechten, daß er seineir
Stoff im Sinne seiner Zeit aufgefaßt und dargestellt? Der
Satz, daß der Lebende Recht hat, gilt eben auch in der Kunst.
Jn ^Wüsthoff's „Amphitrite" sehen wir manchen Anlauf
zum Besseren neben unbegreiflich Fehlerhastem und Geschmack-
losem. Alb. Keller muß sich eine höchst verschiedene Be-
urtheilung gefallen lassen. Viele stoßen sich an seinen Nudi-
täten, Andere freuen sich der blühenden Schönheit seines
Fleisches, während wieder Andere ihn auch in der Behand-
lung antiker Stoffe zu modern sinden, und Jeder nrag etwas
für seine Meinung anführen können. Unbestritten aber muß
immerhin sein eminentes koloristisches Talent bleiben, das,
wenn derjunge Most vergohren, hosfentlich klaren Wein bringen
wird. Foersterling's „Else" war schließlich nur ein schönes
nacktes Müdchen in grünlichemMondlicht, von dem das brillante
Goldgelb des Jncarnats in Jenny Flügge's Studie: ein
Rabbi prächtig abstach. Durch gewinnenden Liebreiz fesselte
Lossow's „Dame im Park", eine jener zierlichen Frauen-
gestalten ü la Watteau, die sinnend vor einer anmuthigen
plastischen'Gruppe, einer Nymphe in den Armen eines Fau-
nes, steht, auf welche die Sonne durch das Blätterdickicht
slimmernde Glanzlichter wirft. Grützner brachte in charak-
teristischer Weise den Gegensatz zwischen Mönchen und Dorf-
geistlichen einerseits und der städtischen „Base" des Pfarrers
zur Anschauung, wozu ihm „Bei Hochwürden zu Tische" köst-
liche Gelegenheit gab. Leibl, der sonst mit unbegreislicher
Vorliebe häßliche Dachauer Bäuerinnen malt, erfreute aus-
nahmsweise durch ein energisch gemaltes Bildniß eines be-
kannten Kavaliers. Spitzer brachte einen köstlichen „Dorf-
boten", dem sich ein frecher Spatz auf den alten Felber setzt,
während er sich hinterm Zaun sein Pfeifchen stopft. Weniger
glücklich in der Wahl seiner Maßverhältnisse und des For-
mates war Holmberg mit seinem „Hohen Besuche". Auch
scheint das komische Element in dem übrigens von ein-
gehendem Studium der alten Niederländer zeugenden Bilde
unmotivirt stark betont; dabei läßt die Peripektive Manches
zu wünschen übrig. Dasselbe gilt auch von Tobler's
„Erstem Religionsgespräch in Zürich", das, abgesehen von der
etwas zerfahrenen Komposition manches Gute aufzuweisen
hat, namentlich in technischer Beziehung. Louis Braun ift
geradezu unermüdlich. Kaum hat er 25 Bleistiftzeichnungen
aus dem bayerischen Oberlande in photographischen Nach-
bildungen herausgegeben, in denen er sich Hendschel's Weise
zum Llluster genommen, ihn aber nicht erreicht hat, so überrascht
er uns auch schon wieder mit einem sigurenreichen, gut kom-
ponirten und noch besser gemalten großen Kriegsbilde aus
dem Jahre 1870: dem Einzuge der Mecklenburger in Orleans,
und zeigt sich uns hier so recht in seinem Elemente. Ludwig
von Langenmantel endlich, ein Schüler Piloty^s, hat eine
Erstlingsarbeit ausgestellt, die in keinem Punkte den Schüler
verräth. Es muß ein ganz ungewöhnliches Talent sein, das
bei solcher Jugend — ich höre, v. Langenmantel sei erst an-
fangs der Zwanziger — über eine solche Tiefe der Auffassung,
eine so glückliche Anordnung seiner Gruppen, eine solche
Strenge der Zeichnung, über eine so wohl durchdachte An-
lage seines Lichtganges und außerdem noch über einen so
seinen Farbensinn und eine so durchgebildete Technik gebietet,
noch höher aber als das Alles eine überraschende Charak-
teristik der verschiedenartigsten Jndividualitäten stellt. Es
war ein spröder, um nicht zu sagen ein undankbarer Stoff
„Die Verhaftung des Chemikers Lavoisier (1794)", denn nur
ein sehr kleiner Bruchtheil des kunstfreundlichen Publikums
dürfte mit der Geschichte und den Verdiensten dieses be-
rühmten Gelehrten vertraut sein und sich für denselben in-
teressiren. Wenn sein Bild gleichwohl das Publikum fesselte,
kann es also nicht der Gegenstand gewesen sein, der es feffelte.
Auch ist da nichts zu sehen von den Kunststücken: virtuose
Nachbildung farbensatten Sammtes und glänzender Seide
und gleißenden Goldes und Anderes der Art. Wohl aber
zeugt jeder Quadratzoll von dem tiefen Ernste, mit dem der
junge Künstler seine Aufgabe erfaßt. Und das ist es und
der Erfolg, mit dem er dieselbe bei aller Bescheidenheit der
Erscheinung löste, was ihm das Publikum schon jetzt besreun-
dete und ihm seine Gunst für die Zukunft sichert. — Als
ein überaus bedeutendes Werk muß ich Zügel's großes
 
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