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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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639

Kunstliteratur.

640

tigt wird, obschon dieselbe wegen ihrer vom Autor selbst
betonten Wichtigkeit sür den modernen Charakter der
Residenz eine eingehende Studie verdient hätte, zu welcher
u. A. in den Lezüglichen Publikationen des Herausgebers
dieser Blätter trefsliches Material vorliegt. Daß Hansen,
Friedrich Schmidt und Ferstel in eigenen, panegyrisch-
deskriptiv gehaltenen Kapiteln behandelt werden, erscheint
im Hinblick auf die Bedeutung dieser Meister gerecht-
fertigt; daß aber auch über das Hansen'sche Schloß
Hörnstein und über die Farbenfrage in der Gob'-ik ge-
legentlich eines Besuches in der Bauhütte der Ferstel'-
schen gothischen Votivkirche ganze Kapitel eingeschaltet
wurden, erklärt sich aus der heutzutage so beliebten Zu-
sanunensetzung von Büchern aus Zeitungsfeuilletons. Nur
so läßt sich der in einem „großen Tageblatt" früher
veröffentlichte Aufsatz über die Farbenfrage in der Gothik
begreifen, da jeder Fachmann über so ein wichtiges kunst-
wissenschaftliches Thema mit Recht denn doch etwas ganz
Anderes erwartete, als die Causerie Vincenti's.

Der Wiener Plastik sind nicht ganz 50 Seiten ge-
widmet, von denen ein bedeutender Theil abermals auf
zwei Feuilletons über das vom Staate erhaltene Erz-
gußhaus und über ein Jubiläumsgeschenk an den Kaiser
entfällt. Daß auf so geringem Raume die Wiener
Skulptur, die auf monumentalem und namentlich aus
dekorativem Gebiete ganz bedeutende Leistungen auszu-
weisen hat, nicht erschöpfend abgehandelt werden kann, be-
darf keiner Auseinandersetzung; die betreffenden Kapitel
lesen sich daher wie ein Katalog, der nickt „räsounirt".
Das Gleiche gilt von dem Kapitel, welches auf kaum
20 Seiten die gesammte moderne Wiener Kunst-Jndustrie
abthut, während gerade auf diesem Gebiete das von
Eitelberger so tresflich geleitete Oesterreichische Museum
mit seinen Spezialschulen, dann die vom Handels-
ministerium in den Provinzen in's Leben gerufenen Fach-
schulen für einzelne Zweige der Kunstindustrie Leistungen
aufzuweisen haben, die mit zu den wescntlichsten Er-
rungenschasten der Wiener „Kunst-Renaissance" gehören.
Die Breviloquenz unseres Autors in diesem Punkte
wundert uns um so mehr, als er sonst alle ofsiziellen
Bestrebungen zu Gunsten der Kunst in einer Weise her-
vorhebt, die man, journalistisch gesprochen, als offiziös
zu bezeichnen sich versucht fühlt. Man lese vas erratische
Feuilleton über das „Burgtheater", dem wir den ästhe-
tischen Paß für das in dem besprochenen Buche be-
handelte Gebiet der Kunst nicht vidiren können, und
wird sofort wissen, was wir ausdrücken wollen.

Am werthvollsten ist die Uebersicht über die Wiener
Malerei mit einem Anhange bezüglich der graphischen
Künste. Wir nehmen es dem Autor nicht übel, daß er
zu Anfang seiner diesbezüglichen Auseinandersetzungen
dem nun verstorbenen Führich ein Kapitel widmet, ob-
schon derselbe sechzig Jahre zählte, als die moderne

Wiener Renaissance begann; allein wir hätten bei der
Bedeutung dieses Meisters gewünscht, daß dieses Kapitel
gründlich ausgeführt, dem Buche organisch eingefügt und
nicht blos mit einem alten Gelegenheits-Feuilleton ab-
gethan worden wäre. Auch für Rahl, der mit seiner
ganzen hellenisch gearteten Jndividualität und mit seiner
großen, in einer zahlreichen, tüchtigen Schule noch immer
mächtig nachwirkenden Kraft den Ansgangspunkt der
Renaissance auf malerischem Gebiete bildet, sind zehn
Seiten entschieden zu wenig; um so weniger, als gleich
aus Rahl in einer uns nicht erklärbaren Anordnung
Hans Makart eine bedeutend größere Seitenzahl ein-
nimmt. Nun folgt Anselm Feuerbach mit einem
eigenen Kapitel und dann ziehen unter den Kategorien:
Historie und Porträt, Genre, Landschaft, Thierstück und
Stillleben so ziemlich alle modernen Wiener Maler an
uns vorbei, die ein Atelier besitzen und mit denen somit
ein „Atelierverkehr" möglich war. Diesem „Atelier-
verkehr" verdanken wir eine Unzahl nützlicher und authen-
tischer Daten über die Künstler selbst, über ihre Arbeiten
und deren Besitzer, die das besprochene Buch zu einem
willkommenen Nachschlagewerk über die Wiener Schule
machen und ihm einen dauernden kunstgeschichtlichen
Werth geben; allein aus diesem Verkehre stammt auch,
wie erwähnt, die Kritiklosigkeit und die Beräucherung
der verschiedensten Kunst-Prinzipien und Manieren,
welche wir dem Buche zum Vorwurfe machen mußten.
Geradezu komisch ist es, wie der Autor es anstellt, wenn
er einmal doch einen Tadel aussprechen muß; da werden
immer Komplimente voraus- oder nachgeschickt und die
kritischen Worte selbst mit einigen lobenden verbrämt.
Damit ist aber dem Künstler nicht gedient, sür welchen
ja ein Lob keinen Werth haben kann, das wahllos in
gleicher Weise allen zu Theil wird, noch dem Leser, der
doch das Recht hat, von dem Kunsthistoriker eine an-
regende, kritische Orientirung über das dargestellte Kunst-
gebiet zu verlangen. Daher gehen wir wohl nicht irre,
wenn wir die Ansicht aussprechen, daß Vincenti's Werk,
trotzdem es aus Feuilletons zusammengesetzt ist, dennoch
unter den zahlreichen FreMden dieses Genre's keinen
Anwerth finden, sondern sich eher in den Bibliotheken
der Fachschriftsteller und Kunstliebhaber einbürgern werde,
denen es als eine Art von gedrucktem lidsr V6rits.ti8
bezüglich der modernen Arbeiten der Wiener Schule und
ihrer derzeitigm Eigenthümer gute Dienste zu leisten
vermag.

I. E. Wessely, Das Ornament und die Kunst- j
Jndustrie in ihrer geschichtlichen Entwickelung auf
dem Gebiete des Kunstdrucks. Berlin, Nicolai
1876. Fol.

Vor etwa einem Jahre machte ich in diesen Blättern
auf den hohen Werth der sogenannten Ornamentstiche
 
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