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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0327

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641

Kunstliteratur,

642

alter Meister in künstlerischer, kunsthistorischer und prak-
tischer Beziehung ausmerksam und sprach den Wunsch
aus, es möchte ein großes Werk publicirt werden,
welches getreue, auf mechanischem Wege hergestellte
Kopien möglichst aller Ornamentstiche alter Meister
enthielte, damit diese im Original jetzt sehr seltenen
und daher theuren und schwer zugänglichen, meist vor-
trefflichen und mustergiltigen Arbeiten einem größern
Kreise oon Kunst-Freunden, Künstlern und Kunstgelehrten
zur Freude daran und zur Benutzung bei ihren künst-
lerischen und historisch-kritischen Studien leichter zu-
gänglich gemacht werden.

Mein Wunsch ist schneller erfüllt worden, als ich
gehofft. Das erste Heft eines.fast ganz nach den da-
mals ausgesprochenen Jdeen angelegten großen Werkes
liegt vor mir. Es entstand aus Jnitiative eines um
die Kupferstichkunde viel verdienten Mannes, des den
Lesern wohlbekannten Herrn I. E. Wessely, jetzt Vor-
steher des kgl. Kupferstichkabinets in Berlin. Derselbe
besindet sich in der glücklichen Lage, eine berühmte, große,
an ausgezeichneten und seltenen Kunstdrucken aller Zeiten
reiche Sammlung zu unbeschränkter Benutzung zur Ver-
fügung zu haben, Zudem hat er Aussicht, auch die
Schätze mehrerer anderen an Seltenheiten ersten Ranges
reichen öffentlichen und privaten Sammlungen für sein
Unternehmen benutzen zu können.

Der Herausgeber beabsichtigt, in seinem auf sechs
Bände mit zusammen 300 Blatt angelegten Werke
möglichst Alles zu geben, was in den verschiedenen
Kunstschulen in der Zeit von 1460 bis 1790 auf dem
Gebiete des Kunstdrucks an Ornamenten geschaffen
worden ist. Die Anordnung des reichen Materials ge-
schieht nach der Zeitfolge und nach Schulen, Der Be-
schauer des Werkes wird dadurch beim Durchblättern
desselben ein getreues und vollständiges Bild von der
geschichtlichen Entwickelung der Ornamentik und der
verschiedenartigen Ausbildung derselben erhalten, Wer
bestimmte Gegenstände, Goldschmiede-Arbeiten, Möbel,
Spitzen, Schloffer-Arbeiten, Gefäße, Ornamente für
Pracht-Waffen u. dergl. sucht, wird dieselben leicht sin-
den können. Eine Manchem vielleicht erwünscht er-
scheinende Anordnung nach Gegenständen ist, abgesehen
davon, daß sie nicht auf so streng wissenschastlichem
Prinzip beruhen könnte, gar nicht durchzuführen, da
dasselbe Blatt oft Gegenstände verschiedenster Art zur
Darstellung bringt. — Der Umfang des Werkes ist groß,
jedoch nicht zu groß. Es ist gewiß nur zu billigen,
daß der Begriff des Ornaments möglichst weit gefaßt
wurde, damit der Forscher und der Künstler für ihre
mannigfaltigen Zwecke möglichst viel Material, also recht
oft Auskunft und Hilfe sinden. Namentlich möchte ich
den Herausgeber bitten, die Ornamente der italienischen
Meister des XV. Jahrhunderts, und besonders die

Arbeiten eines W. Janntzer, Virgil Solis, Paul Flynt rc.
in jeder nur irgend erreichbaren Vollständigkeit zu bringen,
denn sie sind dem Forscher wie dem Künstler — für
Zwecke der modernen Kunstindustrie, auf welche der
Herausgeber mit Recht besonderes Gewicht legt — in
hohem Grade werthvoll.

Die Art der Reproduktion der Originale ist zu-
sriedenstellend. Wir haben nicht eigentliche Kopien vor
uns, sondern auf mechanischem Wege hergestellte Re-
produktionen. Es ist der photographische Pressendruck,
welcher z. B. bei einem von M. Rommel für ein von
Gutekunst in Stuttgart herausgegebenes Werk ähnlicher
Art schon gute Dienste geleistet hat. Die Anstalt von A.
Frisch in Berlin, welche das Wessely'sche Werk her-
stellt, hat sich durch vortreffliche Arbeiten der Art auch
sonst bekannt gemacht. Die Reproduktionen erfüllen
ihren Zweck vollkommen, wenngleich sie den Originalen
nicht zum Verwechseln ähnlich sind, wie z. B. einige in
neuester Zeit erschienene Phototypien nach A. Dürer.
Herausgeber und Verleger erstreben nicht Täuschung,
nicht Jmitation des Alten, sondern sie wollen getreue
Reproduktionen des Wesentlichen in einer unsern Tagen
entsprechenden würdigen Ausstattung geben.

Ein kurzer Text enthält die wichtigsten Notizen
über die Meister der Blätter und Nachweise über die
Beschreibungen derselben in den bekannten Werken von
Bartsch, Passavant rc.

Die erste Lieferung enthält 26 Arbeiten von
deutschen Meistern des XV. Jahrhunderts, also Blätter
von dem Meister E. S., von Martin und Barthel
Schön, Mair v. Landshut, Jsrael v. Mecken, Wolgemut
(Wenzel v. Olmütz) und von einigen Ungenannten. Sie
geben in ihrer Gesammtheit ein höchst charakteristisches
Bild von der reichen phantastischen Ornamentik dieser
Zeit, dem Ausklingen der Gothik, gestatten ferner
interessante Einblicke in das Kostüm, die Architektur u.A.

Das zweite Hest, von dem ich Glegenheit hatte
einige Probe-Abdrücke zu sehen, wird die höchst seltenen
italienischen Kupferstiche des 15. Jahrhunderts ent-
halten, welche u. A. auch deshalb von besonderer Wichtig-
keit sind, weil sie näheren Ausschluß über den Beginn
der deutschen Renaissance, über die ersten Arbeiten der
deutschen Meister „inantikischerArt"zu gebengeeignet sind.

Der Prospekt theilt mit, daß die Originale der
vorliegenden 26 Blätter einen Werth von 48,000 Mk.
repräsentiren. Das ist für wissenschaftliche Zwecke zwar
sehr gleichgiltig; aber die Notiz wird Denjenigen, welche
mit dem Kupferstichmarkt unserer Tage nicht bekannt
sind, und welche meinen könnten, sie kaufen sich statt
dieser Kopien doch lieber Originale, zeigen, daß es schwer,
ja in vielen Fällen unmöglich sein dürfte, die in diesem
Hefte vorgesührten Blätter im Original zu erlangen,
und daß sie sich nicht geniren dürfen, in ihrer sonst nur
 
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