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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Janitscheck, Hubert: Zur Charakteristik Franz Dreber's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0348

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Zur Charakteristik Franz Dreber's,

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liche Supposition; ich weiß nicht, ob sich in Berlin auch
jene Skizze ausgestellt findet, die, von Dreber vor etwa
zwei Jahren entworfen, die Pshche darstellt, wie sie von
Eros bekränzt wird; zur Rechten erstreckt sich weit her-
aus das geglättete Meer; in dem Blütheugeäste eines
Baumes am Ufer schäkern Eroten. — Es schwebt mir
dabei vor — sagte mir damals der Künstler, als er
sich mit dem Entwurfe beschästigte — den vollen Frieden
einer in der Liebe glücklichen Seele zum Ausdruck zu
bringen, und dieser Friede soll auch das letzte Wort sein,
welches die Natur spricht, also das Meer in seiner

Größe und seiner tiefen Ruhe. Dies bewußte Zusteuern
auf einen bedeutsamen geistigen Gehalt läßt aber Dreber
keineswegs in den Fehler moderner Programm-Musiker
und Programm-Maler verfallen.

So nnmittelbar sprechen seine Bilder ihren letzten
Jnhalt aus, wie nur eine Hahdn'sche Symphonie oder
ein Gedicht Goethe's oder Uhland's. Jch führe die

beiden Bilder an, welche sich im Besitze des Baron
Hofmann in der Villa Matei besinden. Das eine stellt
dar: Odysseus, am Meeresuser sitzend, „das Land der
Griechen mit der Seele suchend"; Kalypso kommt von
rückwärts, sie möchte das Heimweh wohl aus seiner
Seele schmeicheln; vergeblich; mit welcher Sehnsucht sein
Blick den sorteilenden Wellen folgt! Wahrlich, man
braucht nicht zu wissen, daß dieser Mann Odysseus sei,
und dieses Weib die Tochter des Atlas; wir empfinden
es sofort, daß hier ein von Heimweh verzehrter Mann

der Heimat mindestens mit der Seele zusteuert. Die

Mittagsschwüle, welche über der Gegend ruht und um
Alles einen leichten Duftschleier legt, dämpfl die Kraft
und Jntensivität der Farben; dadurch klingt die traum-
hast sehnsüchtige Stimmung, welche der geistige Jnhalt
dieses Bildes ist, auch durch das materielle Darstellungs-
mittel fort. Ein Jdyllion ans dem saturnischen Zeit-
alter selbst scheint das zweite Bild uns darzustellen.
Die Landschaft charakterisirt sich als Tiberlandschaft;
im Hintergrunde zeigen sich die edlen Formen des
Soracte; von der Höhe rechts winkt eine Ortschaft; im
Mittelgrunde sindet sich, baumbeschattet, ein Brunnen;
weiter gegen den Vordergrund hin links sitzt unter
Bäumen eine Frau mit dem Kinde auf dem Schooße,
in der Nähe steht ein Mann, aus einen Stab gestützt,
vergnügsamen Blickes die Gruppe betrachtend. Die
rechte Seite des Vordergrundes nimmt eine Gruppe
schöner Frauen und Kinder ein, damit beschäftigt, Rosen
zu pslücken, sie zu sammeln, sich damit zu schmücken.
Jhre Gestalten sind von wahrhaft antikem Formenwohl-
lant. Ein sonniger Sommernachmittag sättigt Alles
mit Lichl und läßt alle Farben in ihrer Krast und
Jntensivität hervortreten, gemäßigt nur, soweit als es
die harmonische Totalwirkung des Kunstwerkes erfordert.
Natur und Menschen zeigen sich in jugendlicher Schön-

heit und Kraft; Alles athmet Frieden, Unschnld und
Seligkeit. Bedürfte es hier oder vor irgend einem
andern Bilde Dreber's des Spintisirens, um den darin
gelegenen geistigen Kern herauszuschälen? Vor einem
Dreber'schen Bilde, wie vor jedem echten Kunstwerk, fällt
es uns nicht ein, Form und Jdee zu sondern; denn wie
kein Naturding nach Form und Jdee hin auseinander-
fällt, sondern Eins nur im Andern und durch das
Andere da ist und begriffen wird, so ist auch jedes
echte Kunstwerk ein völlig Einheitliches, in welcher Ein-
heitlichkeit dann seine geheimnißvoll wirkende Krast be-
ruht. — Das Auge saugt den Formen- und Farben-
reiz ein; aber diese Formen wecken schon in demselben
Momente eine Welt von Stimmungen im Beschauer;
die Seele hat schon ihre Wanderung zurückgelegt und
ergeht sich, sreudig bewegt, im Märchenlande ihrer
Sehnsucht. Erst später versucht man es, den rein ge-
nießenven Standpunkt zu verlassen, um den Bedingungen
so großer Wirkungskraft nachzusorschen. Die Erkennt-
niß derselben ist allerdings keine lehrbare; sie zeigt nur,
wie die stark poetische und künstlerische Natur auch in
dem, was scheinbar Sache der Berechnung, höchstens
eines scharfen Kunstverstandes ist, der Kombination auch
des geistvollsten Virtuosenthums weit voraus eilt. Das
Landschaftliche in den Dreber'schen Bildern hat nichts
mit der Vedute zu thun und steht selbst der bestimmten
stilisirten Landschaft serne: und doch erscheinen seine
Landschaften wahrer, wirklicher als die beste Vedute oder
bestimmt stilisirte Landschast. Sieht man scharf zu, so
bietet sast jede seiner Landschasten nicht ein Motiv,
sondern eine Mehrzahl von Motiven, und dennoch hat
man einen streng einheitlichen Eindruck. Die Erklärung
für Dies und Jenes liegt in dem mächtigen Natur-
gefühl, welches Dreber besitzt; wie seine Figuren un-
trennbar und unlösbar von der sie umgebenden Land-
schast sind, so scheint des Künstlers Seele Eins zu sein
mit dem innersten Weben und Walten des Naturgeistes
selbst, aus welcher Einheit dann des Künstlers tiesstes
Naturverständniß hervorgeht. Von der Struktur und
der Form des Terrains bis zum Gefüge der Aeste und
Zweige, ja jedes Grashalmes: alles trägt den Charakter
einer so stark wirkenden Lebenskraft, daß man glerchsam
das Lebenathmen der Natur selbst zu vernehmen meint.
Deshalb sagt man sich bei seinen Landschasten allerdings
nur selten: dies Motiv ist von dorther und jenes von
daher entlehnt; aber so bekannt und befreundet erscheint
uns jeder Fleck Boden, den er malt, daß wir vermeinen,
dort gewandert und geträumt zu haben. Der letzte
Grund, daß seine Landschaften so naturwahr und natur-
wirklich erscheinen, liegt also in des Künstlers über-
strömendem Naturgesühl; dazu kommt dann allerdings
der hohe Respekt vor der Wahrheit in Form und Farbe,
den Dreber stets bekundet. Bei allem hohen poetischen
 
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