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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Janitscheck, Hubert: Zur Charakteristik Franz Dreber's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0349

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Zur Charakteristik Franz Dreber's.

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Gesühl ist er me gewillt, die poetische Jllusion aus
Kosteu der Wrklichkeit und Wahrheit, sei dies auch nur
im geringsten Detail, zu erzielen. Welcher feine Formen-
sinn, welches gewissenhafte Eingehen in das Detail zeigt
sich z. B. in der Zeichnung auch des kleinsten Baum-
blättchens, der verlorensten Blüthenkrone! Manchmal
zwar scheint nns eine siotte Behandlung entgegen zn
treten, aber wir brauchen — um uns des Gegentheils
zu versichern — nicht einmal seine Zeichnungen zu
durchblättern, wir brauchen nnr an die Sache selbst näher
heranzutreten, um uns zu überzeugen, daß hinter der
scheinbaren Flottheit der geläutertste Formensinn und
die höchste künstlerische Gewissenhaftigkeit sich verbirgt.
Und dasselbe gilt von seiner Farbengebung; gern
verzichtet er auf den billigen Ruhm virtuoser Lösung
pikant aufgestellter Dissonanzen; weder seine Bilder noch
seine Skizzen wollen Ruszeichen sein, die unersorschlichen
Geheimnisse der Palette zu bestaunen; der Wahrheit der
Naturerscheinung, soweit diese in der Farbe sich ossen-
bart, künstlerisch gemessenen Ausdruck zu geben, dahin geht
sein volles und erfolgreiches Streben. Er malt keine
Sonnen-Ausgänge und Untergänge, und doch hat jedes
seiner Bilder die ihm bestimmte koloristische Gesammt-
haltnng, welche in letzter Jnstanz immer bestimmt ist
durch den geistigen Grundton, aus welchem der Orga-
nismus des Bildes sich aufbaut, der ja auch wieder
die änßere Komposition der Landschaft bedingte. Und
nicht minder zeigt sich im Einzelnen der Farbenreichthum,
wie er in der Natur verbreitet ist, allerdings aber völlig
transponirt in die Sphäre der künstlerischen Mittel,
innerhalb welcher das Kunstwerk sich zu halten hat, soll
es in seiner Art den Charakter der Einheitlichkeit,
Selbständigkeit und Vollkommenheit in demselben Maße
zeigen, wie die Naturerscheinung in ihrer Art. So
wird erst nach tieferem Versenken die Krast koloristischen
Lebens uns klar, welche Dreber's Bilder besitzen. Jch
habe das empfunoen jener großen Landschaft gegenüber,
die so viele Jahre der Qnal und Arbeit dem Künstler
brachte, und der gegenüber er höchstens in den Fehler
des Protogenes verfiel: daß er die Hand davon zu lassen
zu rechter Zeit nicht vermochte. Ein Vertreter der mo-
dernen Richtung in der Malerei hatte mir die Farbe
als stumpf, kalt, baar jeder Lebenswärme geschildert; bei
dem ersten Anblick hatte ich denselben Eindruck, je länger
ich aber vor dem Bilde saß, je tiefer ich in den künst-
lerischen Organismus desselben eindrang, ein um so
reicheres Lebenswalten nahm ich wahr, nicht blos wie
sich dasselbe aussprach in dem gewissenhaften Eingehen
aus die Formen der Naturdinge, sondern auch aus deren
Kolorit. Mit den modernen Begriffen von Farbe dars
man allerdings vor die wenigsten der Bilder Dreber's
hintreten; dem steht ja schon das rein künstlerische
Naturell des Meisters entgegen.

Schon srüher sagte ich, daß bei Dreber die Figuren
untrennbar und unlösbar von der sie umgebenden Land-
schaft sind. Es wird nicht genügen, als einzige Ursache
oafür die formale und koloristische Zusammenstimmung
der Figuren mit der Landschaft anzugeben. Der letzte
Grund liegt tiefer. Des Künstlers starkes Gefühl von
der innigen Einheit alles dessen, was lebt, sein einem
idealen Naturleben zugewandtes Auge läßt ihn bewußte
und unbewußte Natur nnr in innigem Verkehre denken;
das findet dann selbstverständlich auch Ausdruck in seinem
Werke. Die unbewußte Natur hebt an, ein Wort zn
sagen, aber der Mensch vollendet es. Das ist in den
Bildern Dreber's auch da noch der Fall, wo dies dem
Ange nicht sosort klar erscheint. Jch erinnere an eine
kleine Waldlandschast; den Mittelgrund bildet eine schön
gewellte Waldwiese; der Vordergrnnd ist ein Hügelabfall
mit dichtem Farrenkraut und Gestrüppe besetzt, in der
Tiefe rechts steht ein Opseraltar. Welche Einsamkeit,
welche geheimnißvolle Stille! Dennoch aber erhält diese
Stimmung einen noch weiter gesteigerten Ausdruck.
Schon gegen den Hintergrund hin, und deshalb in ver-
schwindend kleinem Maßstabe, befindet stch eine mensch-
liche Figur, die über die Waldblöße hinüber einer andern
zuzurufen scheint. Nun erst kommt uns das Gefühl der
tiefsten Verlassenheit, des völligsten Abgeschiedenseins von
der Welt zu völligem Bewußtsein. Hier also vollendet
der Mensch das Wort, das die Natnr begonnen; manch-
mal vollendet die Natnr, was der Mensch zu sagen
anhob. Das grandioseste Beispiel für das Letztere ist
Dreber's Prometheus-Skizze, ein Bekenntniß seiner Seele,
in den schwersten Leidenstagen entworsen. Grauenhaft
wilde, zerrissene Felslandschast bestimmt den Charakter
des Begebnißortes; gegen rechtshin wird das Meer sicht-
bar; Wolkensetzen von gewittergelber Färbung werden
dnrch die Luft geschleudert, im Aufruhr scheint die ganze
Natur zu zucken — im Mittelgrunde wird Prometheus
sichtbar, angeschmiedet an den Felsen, über ihm schwebt
der Adler. Die Figur des Prometheus erscheint hier
durchaus nicht als herrschender Mittelpnnkt des Bildes;
die unbewußte Natur ist gleichberechtigter Träger des
geistigen Vorwurss; nicht das Begegniß kommt zur
Darstellung, sondern — ich möchte sagen — es wird
völlig in Stimmung umgesetzt, wodurch wir allerdings
. zum krästigsten Bewußtsein des Empfinduugsgehaltes
dieses Mythus gelangeu. Abgesehen von der Beschränkt-
heit der Mittel, wäre der Skulptur eine solche Trans-
ponirung durchaus verboten; der Malerei sagt dieselbe
völlig zu. So dürsen wir sagen: niemals stnd bei
Dreber die Figuren blos Stassage, niemals erscheint
die Landschaft als bloßer Rahmen, in welchen die Figuren
hineingesetzt sind; niemals ward die Figur blos in die
Landschast gesetzt, um eines bestimmten Farbenwerthes
wegen. Ein begonnenes, aber nicht zu Ende geschriebenes
 
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