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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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279

Korrespondenz aus Bremen.

280

Gott, in einer Riesenmuschel stehend, in wnrdevoller
Haltung seine Bahn dahin. Mit der Linken, die zu-
gleich den Dreizack umsaßt, lenkt er vier prachtvolle
Rosse, die, meisterhaft komponirt, in wilder Urkraft
dahersprengen, während seine Rechte sich mit einer
GeLerde, als ob er die Wogen beschwichtigen wolle,
nach der anderen Seite streckt, von der man den
stolzen Dreimaster in kühner Verkürzung, schräg zu
Wasser liegend, die Bremer Flagge am Top, die deutsche
am Stewen, mit vollen Segeln der Heimat, die schon
ein Matrose vom hohen Mast jubelnd begrüßt, zueilen
sieht. Das Problem, ein solch völlig modernes Schiff
mitten in einer phantastisch-mpthologischen Scene, wie
diese hier anzubringen, war allerdings ein gewagtes;
dcnnoch ist die Wirknng durchaus keine störende, nnd
der stolze Kausfarteifahrer, von unserem Marinemaler
Fedeler bis in jede Einzelheit aufs trefflichste darge-
stellt, gewährt vielmehr einen wahrhaft köstlichen Gegen-
satz. Hoch über dem Gewimmel des Wasservolkes und
der majestätischen Gestalt des Meergottes voraneilend,
schweben die Winde, eine ebenfalls entzückend kompo-
nirte Gruppe von vier beschwingten und tubenblasenden
Jttnglingsgestalten, in denen nach dieser Seite hin das
reiche Bild in wnndervoller Weise ausklingt.

Aber jede noch sv lebendige Schildernng wäre
nicht imstande, auch nur annähernd eine Vorstellung
zu geben von all dem mächtigen urgesunden und über-
qnellenden Leben und Treiben, welches uns entgegen-
leuchtet und jubelt, wenn wir den Blick auf das phan-
tastische Gewühl und Getümmel werfen, das den
Muschelwagen des Gottes begleitet und umringt, und
man weiß kaum, woran man sich mehr ergötzen soll,
vb an den alten braunen borstigen Gesellen, wie sie
sich necken, tummeln, überschlagen und mit grotesken
Meerungeheuern balgen, oder an den weißschimmernden
Leibern der holden, mit roten Korallen und purpur-
braunen Angen geschmückten Meermädchen, deren An-
mut gegen die elementare Ungeschlachtheit der Tritonen-
rüpel doppelt entzückend absticht. Besonders aus dem
reichen Getümmel hervorragend erscheint die meisterhaft
modcllirte Gestalt eines Seekentauren, der auf ge-
wnndenem Trinkhorn eine Fanfare bläst, sowie im
Vordergrunde ein jugendliches Meerpärchen, welches in
trauter Gemeinschaft sich mit zierlichen und zutrau-
lichen Meerschwalben beschäftigt, ste lockend und fütternd,
ein ebenso neues wie liebliches Motiv. Daß zwischen
so vielen von Gesundheit und Üppigkeit strotzenden
Gestalten auch der Liebesgott nicht ermangeln wird,
sich einzustellen, versteht sich von selbst; warum er aber
mit der Nase ins Wasser taucht, ist freilich unerklärlich,
wenn er etwa nicht vor innerer Freude über gewonnene
Erfolge eben im Begriff ist, einen Purzelbamn zu
schlagen. Doch genug der Beschreibung.

Jst es, wie gesagt, schwer, durch Worte eine irgend-
wie genügende Vvrstellung von einem solchen vielge-
staltigen Bilde zu geben, so ist es geradezu unmöglich,
eine auch nur entfernte Ahnung zn gewähren von
all den wundervollen Farbenakkorden, welche durch
eine Fülle von tiefbraunen, braungoldigen und licht-
rosigen Fleischtönen in köstlichem Zusammenstimmen mit
dem dunkelblauen, blaugrünen und gelblich grüneN
Tönen der weißbeschäumtenFluten hervorgerufen werden;
nicht minder köstlich ist die gemeinsame Wirkung der
entfernten Meeresfläche und der zarten und frischen
Färbung der leichtbewegten Lnst.

Über dieser mächtigen, achtnndzwanzig Fuß in der
Höhe und einundzwanzig in der Breite haltenden Dar-
stellung erblicken wir sodann auf minder großem Bilde
die Gestalt der thronenden Brema mit ihrem Wappen-
tier, dem Löwen. Sie ist im Begriff, ihre nunmehr zur
Ruhe gelegte alte Flagge, unter deren Schutz Jahr-
hunderte hindurch deutsche Art und Sitte in fremden
Weltteilen sich Achtung und Namen zu verschaffen
wußten, mit dem wohlverdienten Ehrenkranz zu
schmücken.

Rechts sind Jünglinge beschäftigt, die unter ihr voll-
brachten Thaten in die Jahrbücher der Geschichte einzu-
tragen, links andere das junge dentsche Banncr zu
neuen friedlichenEroberungszügen entfaltend. — Seinem
ernsten Gegenstande gemäß ist auch der Ton dieses
Bildes ein ungleich tieferer und ernstercr als der, in
welchem das Hauptbild leuchtet.

Auf zwei Durchgangsbogen ruht dem Beschauer
gegenüber die zweite kleinere Wandfläche, zwei schmale
Hochbilder nebeneinander tragend. Jn diesen und den
übrigen der oberen Räume hat Fitger es unternommen,
die bekanntesten und für den Seefahrer wichtigsten
Sterne und Sternbilder durch allegorische Gcstalten
darzustellen, deren jede natürlich durch einen strahlenden
Stern auf dem Haupte als solcher bezeichnet ist. Zuerst
den Polarstern, den bewährten ältesten Leiter der See-
sahrer. Er ist als ernster Mann gebildet, den eine
höhere Macht in Feffeln gelegt hat, daß er nicht
weichen und wanken kann, wie denn seine beiden steten
Gesellen, der große und kleine Bär, wiederum mit ihm
durch Ketten verbunden sind. Andere allegorische Stern-
gestalten umschweben diese Gruppe.

Auf dem Nachbarbilde aber strahlt nns als Gegen-
stück das schöne Pfadführende Sternbild der anderen
Hemisphäre entgegen, das südliche Kreuz, wie aus
schimmerndem Krpstall gebildet, emporgehalten nnd nm-
kreist von lichten Knaben- und Jünglingsgestalten, die
sich gegen das Dunkelblau des klaren Nachthimmels
nnt wundersamer Leuchtkraft abheben.

(Schluß folgt.)
 
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