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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die neueste Erwerbung der Berliner Galerie "Neptun und Amphitrite" von Rubens, [2]
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Die nsueste Erwerbung der Berliner Galeris.

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gehen. So die beriihmte Wolfsjagd vom Jahre 1612
beim Lord Ashburton in London, dic Lömcnjagd in Mün-
chen, die Schweinshatz aus der Galerie dcs Königs von
Holland, jctzt bei Mr. Adrian Hohe in London, dasselbe
Bild in DreSden, skizzenhafter und daher anziehender,
ferner (der Ansführung nach teilweise auf Schülerhände
znriickzufiihren) die Lvwenjagd in Dresden und die
Jagd auf Nilhfcrd nnd Krokvdil in der Augsburger
Galerie. Sodann gehört hierher namentlich das be-
riihmtd, von Rubens als „eigenhändig" an Lord Dudley
Carleton verkaufte Gemälde des „Daniel in der Löwen-
grube", beim Herzog von Hamilton im Hamilton Pa-
lace: in Wahrheit mehr ein großartiger Löwenzivinger,
in dem der nackte Daniel sich etwas nnglücklich aus-
nimmt; noch sorgfältiger durchgeführt als unser
„Neptun", aber farbloser und kühler und fahler im
Ton. Einem der neun prächtigen Löwen liegt dieselbe
Studie zu Grunde, wie dem Löwen auf unserem Bilde;
diese ist uns noch in einem köstlichen Blatte mit Zeich-
nungen nach Löwen in allen möglichen Stellungen in
der Albertina zu Wien erhalten. Tiger und Leoparden
als Begleiter des Bacchus und seiner Schar finden wir
auf den bekanntcn Bacchantenzügen in Mnnchen, St. Pe-
tersburg und Blenheim, eigenhändigen Schöpfungen
etwa aus den Jahren 1614 bis 1617; einer der Tiger
auf einem dieser Bilder ist wieder dem Tiger auf
nnserem Bilde ganz ähnlich.

Spätev hät der Künstler offenbar die Freude an
der Darstellung des äufgeregten Tierlebens verloren;
wo wilde Tiere noch bei ihm vorkommen, Pflegen sie
von der Hand seiner Schüler ausgesührt und höchstens
vom Meister „retouchirt" zu sein; so in unserer „Jagd
der Diana", etwa aus dem Jahre 1632.

Jch erwähnte bereits gelegentlich, daß verschiedene
der Gestalten und Tiere auf unserem Bilde auch auf
anderen Gemälden — und zwar immer auf etwa gleich-
zeitigen und ganz eigenhändigen Gemälden — gleich
oder ganz ähnlich vorkommen. Dem füge ich noch
hinzu, daß auch der Neptun in der Haltung dem Daniel
auf dem Bilde in Hamilton Palace ganz ähnlich ist,
sowie daß Rubens die auffallende, für reiche Entwicke-
lung des Muskelspiels günstige Stellung der Beine
mit besonderer Vorliebe in Bildern jener frühen Zeit
Wählt; so in den „Vier Weltteilen" und im Dvppel-
bildnis des Künstlers und seiner Gattin in der Pina-
kothek. Daß eine solche Benutzung derselbem Modelle
nnd Studien, freilich stets in zweckentsprechender Ver-
änderung keineswegs Geistesarmut beweist, sondern
bei der unerhörten Leichtigkeit und Schnelligkeit des
Schaffens durchaus natürlich und berechtigt erscheint
— Rubens erlaubte sich sogar, Gestalten und ganze
Kompositionen fremder Meister, wie Tizian, Cara-
vaggio u. s. w. zu benutzen —, ist jedem mit Rubens'

Werken vertrauten ebenso bekannt wie die Thatsache,
daß sich dies gerade in den cigenhändig vom Meister
durchgeführten Gemälden findet.

Die Erhaltung dcs Bildes ist völlig tadellos.
Die große Helligkeit wie die positive Wirkung der Lokal-
farben, welche manche Beschauer auf die Vermutung
gebracht hat, das Bild sei stark geputzt worden, ist ein
charakteristisches Merkmal fast allcr Bilder des Mcisters,
die in den Jahren 1609 bis 1612 cntstandcn sind.
Auch das zweima'lige Anstücken der Leinwand geschah
durch dcn Meister selbst: das erste Mal wahrschcinlich,
weil damals ein Stück von der gewünschten Breite
nicht zu haben war, das zweite Mal aus künstlerischen
Rücksichten um der Komposition in der Höhe mehr
Ranm zu geben. Jn unserem Bilde war jene anßer-
ordentliche Helligkeit der Färbnng vielleicht auch mit
bedingt durch den Platz, für wclchcn es bestimmt war,
ein Umstand, auf welchen Rubens, wie wir aus seinen
Briefen wissen, mit Recht ein ganz außerordentliches
Gewicht legte. Bei der definitiven Aufstellung des
Bildes in der Galerie wird darauf jedenfalls Rücksicht
genommen werden.

Um kurz das Resultat zusammenzufassen: an der
Echtheit, an der Eigenhändigkeit der Ausführung,
an der trefflichen Erhaltung des Bildes ist nicht
zu zweifeln. Dasselbe fügt sich nach Zeichnung,
Färbung, Beleuchtung und Behandlung durchaus in
die Reihe der Werke des Rnbcns aus den ersten Jahren
nach seiner Rückkehr aus Jtalien ein; nach Gegen-
stand, Auffassung und künstlerischen Qualitäten gehört
es zu einem Cyklus gleichzeitig entstandener Gemälde,
welche fast sämtlich durch Stiche llus der Zeit des
Rubens bezeugt sind; endlich cxistirt keine Wieder-
holnng, die unserem Bilde die Originalität streitig
machen könnte, vielmehr besitzt die Galerie zu Gotha
eine kleine Kopie aus dem 17. Jahrhundert, ein Zeug-
nis mehr für die Originalität unseres Bildes."

Zu der letzteren Bemerkung wollen wir nur hinzu-
fügen, daß die gegen die Originalität des Bildes vor-
gebrachten Bedenken wohl von keinem Sachverständigeu
ernst genommen sein werden. Anders freilich verhält
es sich mit der, wie uns scheint, von Bode mit allzu
großer Zuversicht behaupteten ausschließlichen
Eigenhändigkeit der Ausführung des Bildes durch
Rubens. Diese geben die Wiener Kunstkenner, welche
das Bild eingehender studirt haben, nicht zu; sie wollen
die Ausführung desselben in einzelnen Teilen Gehilfen-
händen zuschreiben. Auch über die Entstehungszeit
des Bildes ließe sich gegen Bode Manches einwenden:
doch sei dies einer späteren Gelegenheit vorbehalten.
 
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