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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon des Champ de Mars
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0203

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38g

Nekrologe

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seine bekannten bretonischen Landschaften, obschon
diese braune Melancholie in der Bretagne mehr am
Fratze scheint als bei dem Bildnisse eines jungen
Mädchens; den farbensprühenden Mancini, den ich
zum ersten Male in einem Pariser Salon sehe und
den man in die wenig besuchten Grüfte des Erd-
geschosses verbannt hat; Gari Melchers, der fünf
ausgezeichnete Arbeiten ausgestellt hat; Menard, dessen
beide dekorative Gemälde für die Sorbonne wahr-
scheinlich die besten Arbeiten dieses Künstlers sind:
eine stille Meeresküste, eine antike Tempelruine, große
weiße Wolken am hohen Himmel, dunkle Küsten-
masse gegen hellen Himmel und leuchtendes Meer,
darin kein lebendes Wesen, zwei Arbeiten voll stil-
voller, eindrucksvoller Größe; Roll, der in einem
kleinen Bilde, offene Gartenlandschaft, sonnige Wiese,
darin einige Mädchen und Frauen in hellen Kleidern,
auf beiden Seiten hohe Bäume, wieder einmal gezeigt
hat, daß er der größte lebende Freilichtmaler Frank-
reichs ist; und endlich Willette, der die glatte Bahn
hinabrutscht, die ihn vom anmutigsten und graziösesten
Zeichner zum langweiligen, allegorischen und philo-
sophischen Maler führen wird.

Für die Bildhauer und Stecher bleibt mir jetzt
leider unverhältnismäßig wenig Raum. Zur Revanche
werde ich die Besprechung des älteren Salons mit
Skulptur und Griffelkunst beginnen, und da mögen
dann die Maler sehen, wo sie bleiben. Sehr gute,
kleine Bronzesachen haben der Amerikaner Borglum
und der Deutsche Lerche ausgestellt, von dem Russen
Raffael Schwartz ist ein sehr anmutiges Mädchen-
köpfchen in Marmor da, der Italiener Bugatti bleibt
bei seinen vortrefflichen Tierstatuetten, Rodin zeigt
in einer ausgezeichneten männlichen Büste, daß er
nicht seine ganze Zeit mit dem Anfertigen von
Zeichnungen verbringt, deren künstlerischer Wert
zum mindesten problematisch ist; Carabin hat eine
ganze Anzahl entzückend lebensvoller Bronzefigürchen
geschickt; Steinlen ist mit mehreren überaus hübschen
Bronzekätzchen vertreten; und der junge Carriere hat
eine Büste gesandt, die den gemalten Porträts seines
Vaters so ähnlich ist, wie eine Skulptur einem Ge-
mälde überhaupt ähnlich sein kann.

Von den Griffelkünstlern nenne ich: Eugen Bejot
mit einigen ausgezeichneten Pariser Ansichten, Beur-
deley, dessen Kranker im Spital in der meisterhaften
Anordnung von Licht und Schatten geradezu an
Rembrandt erinnert, Cotfet, dessen schwarze wie
farbige Radierungen mir in diesem Jahre besser ge-
fallen als seine Gemälde, Latenay, der einige der
neulich in der »Zeitschrift für Bildende Kunst« ab-
gebildeten Radierungen ausstellt, Henri Riviere, der
in seinen farbigen Sieindrucken nun schon seit fünf-
zehn Jahren das einmal angeschlagene hübsche Thema
wieder und wieder abwandelt, und endlich Eugen
Viala, den ich zum ersten Male sehe, und der mir in
der Radierung das rechte Mittel gefunden zu haben
scheint, um die düsteren Naturstimmungen, die ihn
anregen, auszusprechen.

Zum Schlüsse erwähne ich noch, daß als Neuerung
in diesem Jahre auch Musik »ausgestellt« wird. Die

Komponisten haben ihre Partituren einer Jury einge-
reicht, und die angenommenen Sachen werden während
der Dauer der Ausstellung aufgeführt. Zweimal in
der Woche finden also im Salon Konzerte von neuen
Kompositionen statt. Bescheiden gebe ich meinet
Genugtuung Ausdruck, daß man sich in dieser Zeit-
schrift nur mit der bildenden Kunst befaßt. Wäre
es anders und wollte man einen Bericht von mir
über diese Konzerte, so müßte ich einem anderen
Berichterstatter das Wort abtreten.

KARL EUGEN SCHMIDT.

NEKROLOGE

Am 7. April verschied in St. Petersburg der Restaurator
der Gemäldegalerie der Kaiserlichen Ermitage Alexander
Sidorow. Sein spezielles Arbeitsgebiet war das Trans-
ponieren der Gemälde, das in der Ermitage angewandt
werden muß, da bekanntlich weder das Beheizungssysteiu
des Museums noch die klimatischen Verhältnisse von St.
Petersburg es erlauben, die Gemälde auf Holz zu belassen.
In dieser Tätigkeit hatte es Sidorow zu einer ungewöhn-
lichen Fertigkeit gebracht, die um so größere Anerkennung
verdiente, als Sidorow, der ursprünglich seines Zeichens
Tischler war, ohne jede theoretische Vorbildung rein em-
pirisch bei seinen Arbeiten verfuhr. Von ihnen seien hier
als die bemerkenswertesten erwähnt die Restauration der
Madonna Connestabile Raffaels, die nach St. Petersburg
mit einem Riß von einer halben Spanne Breite durch Bild
und Originalrahmen gelangte, und die Transponierung der
Altarflügel des Jan van Eyck (?), deren Oberfläche den
Charakter der ursprünglichen Grundlage ganz ausgezeichnet
bewahrt hat. In Alexander Sidorow, der im Vorjahre sein
fünfzigjähriges Jubiläum feierte, hat die Ermitage ihren
ältesten Beamten verloren, der in ihren Diensten bereits
stand, als sie noch ganz kaiserliche Privatsammlung war,
vor der Umwandeiung in ein Museum und der Übersiede-
lung in den Klenzeschen Prachtbau. -c/im-

f.- Der waadtländische Künstler Emil David Turrian,
ein Maler von bedeutendem Talent, ist im Alter von nur
39 Jahren in Paudex (Waadt) gestorben. Er wählte viel-
fach russische Sujets.

Der Historienmaler Albert Baur ist in Düsseldorf im
Alter von 71 Jahren gestorben. Er war in Aachen geboren
und Schüler von Karl Sohn in Düsseldorf und Moritz von
Schwind in München. Eins seiner Hauptwerke, der große
Karton »Christus als Weltrichter«, befindet sich in der Ber-
liner Nationalgalerie. Im Textilmuseum der kgl. Webe-
schule zu Krefeld hat er die Geschichte der Seidenindustrie
in Europa zur Darstellung gebracht. Den Schwurgerichts-
saal zu Elberfeld schmückte er mit einem großen Wand-
gemälde, das Jüngste Gericht darstellend. Auch von den
Bildern des großen Gürzenichsaales zu Köln, die den Fest-
zug anläßlich der Dombauvollendung darstellen, rührt eins
von dem Verstorbenen her. Unter seinen Ölgemälden ist
das in der Düsseldorfer Galerie befindliche Bild'»Bestattung
christlicher Märtyrer« in weiten Kreisen bekannt geworden.
Baur, der auch eine kurze Zeit als Lehrer an der Kunst-
schule zu Weimar tätig war, hat den größten Teil seines
Lebens in Düsseldorf verbracht. Als Künstler verfügte er
über ein großzügiges künstlerisches Stilgefühl und über eine
bedeutende koloristische Begabung.

49 Jahre alt ist am 6. Mai in Paris der ehemalige
Konservator des Louvre, Emile Molinier, gestorben. Er
war ein feiner Kenner des Mittelalters; auf seine Verdienste
im einzelnen wird noch an dieser Stelle hingewiesen
werden.
 
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