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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1901)
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Batka, Richard: Bunte Bühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0236

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unleugbaren Erfolg vielleicht aus der Originalität und dem Reiz der
Darbietungen zu erklären? Je uun, über den Geschmack ist nicht zu
streiten, aber ich habe jene Eigenschaften beim besten Willen nicht wahr-
nehmen können. Die Absicht, „Lebensfreude" zu erwecken, wird darum
doch nur in bescheidenem Grade erreicht, nur wenige leidliche Nummern
euthält der Spielplan, kaum so oiel an Zahl wie die der Gerechtcn, um
deretwillen Sodom und Gomorrha wären verschonet worden. Und da-
bei welch großsprecherisches Auftreten, als werde vom Ueberbrettl aus
die deutsche Lyrik ins Volk und einenr goldenen Zeitalter cntgegengetragen!
Die deutsche Lyrik? Besteht sie wirklich aus dem, was Baron Wolzogen
an seincm literarischen Buffet kredenzen läßt, wird sie dort auch nur in
ihren charakteristischen Typen vertreten? Haben die Gcdichte des Ueber-
brettl-Repertoires aus diesen Namen insgemein überhaupt Anspruch?
Und die Musik zu diesen „deutschen Chansons" ! Jch will gar nichr so
boshaft sein, sie nach dem Maß der Gesänge von James Rothstein,
Bogumil Zepler oder Bruno Schmidt zu bewerten, ich halte mich an
den unbestrittenen Stern der tönenden Ueberbrettlkunst, an Oskar Strauß.
Ein hübsches und gefälliges Talent. Sein „Lustiger Ehemann" bildet
seit Monaten das Entzücken der Berliner und erlebt Auflagen über Auf-
lagen. Bierbaums naivthuende Bonbouverse werden da auf eine Melodei
gesungen, durch welche deutlich die Humperdincksche Tanzweise „Dreh dich
herum mein lieber Hänsel" durchklingt, aber ohne die morgenfrische
Ursprünglichkeit, die dem Original eignet. Auch die schummerige Sen-
timentalität des Haselnußduetts schlägt bekannte Töne an, und niemand
wird des Eindrucks sich crwehren, daß das alte, namentlich das Wiener
Ueberbrettl dem modernen an Schneid und musikalischer Erfindsamkcit
weit überlegen war. Von dem ans Geniale streifenden Krakauer gar
uicht zu reden, sind die Gassenhauer Ludolf Waldmanns noch Schöpfungen
eines melodischen Krafttalents gegen Oskar Strauß, der, was ihm an
Jnspiration abgeht, durch Feinheit und Sauberkeit der Mache uud ein
raffiniertes Klavierspicl vergebens zu ersetzen sucht. Sein glücklichstes
Stück bleibt Liliencrons „Die Musik kommt". Freilich drüngeu gerade
hier wieder andre Bedenken sich auf, denn der Neiz des Gedichtes liegt
eben darin, daß das Herankommen, Vorüberziehcn und ferne Verklingen
der Musik durch das Mittel des Worts versinnlicht wird, ein Reiz, den
ihm die wirkliche Vertonung wiederum zum größten Teile raubt. Jmmer-
hin ist die poetische Anschaulichkeit durch die musikalische gewissermaßcn
ersetzt, der Einfall gut volkstümlich, die Komposition lebendig, und un-
genügend höchstens an der Stelle „Die Fahne kommt, den Hut nimm
ab", wo der Text entschieden einen feierlicheren Aufschwung verlangt hätte.
Die Harlekin-Pantomime, die ich auf dem Ueberbrettl sah, war herzlich
schwach. Jm ganzen mutet das Genre, so „kräftig" es mitunter sich
geben mag, doch recht kraftlos an, es fehlt der Uebermut, der Ueber-
schwang, das Ueberschäumcn, und selbst die Tollheit hat etwas Gemachtes.

Ebensowenig wie das Programm kann mir die Art der Wiedergabe
eine Begeisterung fürs Ueberbrettl begreiflich machen. Die Kräfte des
Ensembles sind uatürlicherweise gut eingespielt, überschreiten aber oft
kaum das Mittelmaß und stecken zum Teil im krassen Dilettantismus.
Jm Technischen, z. B. in der für die Vermittlung des gedanklichen Jn-
halts der Lieder so wichtigen Aussprache, bleiben selbst die Besten hinter
Runftwart

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