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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 19 (1. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0320

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V

dienst, im Geiste Liszts einen selb-
ständigen Weg zu suchen und ohne
Rücksicht auf Mode und Geschmack
eine Ueberzeugung zu vertreten. Der
Komponist verdient außerdem als
Festdirigentdeshalbgenanntzuwerden,
weil er mit aller Entschiedenheit für
den Fortschritt in der Musik eintrat,
aber nie seine Persönlichkeit in den
Mittelpunkt stellte. Man hatte auch
bei ihm stets das Gefühl, daß Alles
um der Sache willen gethan wurde.
Ueber das andere große Chorwerk,
Liszts Ungarische Krönungs-
messe, werden die Meinungen sich
schwer einigen, wenn man nicht den
Zweck, für den dasWerk einst geschrieben
wurde, im Auge behält. Das un-
garische Lokalkolorit drängt sich zwar
nicht aufdringlich vor, aber die ganze
Technik des Satzes hat etwas von
dem al kresco-Stile einer Krönung
angenommen. Das Blendende und
Festliche einer solchen Feier verlangte
viel leuchtende Farben und große,
einfache Linien. Alles ist rasch hin-
geworfen und im Vergleich zu der
Graner Fest-Messe mehr angedeutet als
ausgeführt. Das Werk dürfte deshalb
für alle Zeiten auf einen kloinen
Kreis von Freunden beschränkt bleiben.
Jetzt ist dieser Kreis allerdings noch
zu klein. Möge die Heidelberger An-
regung — Heidelberg darf jetzt Dank
Professor Wolfrum als das eigent-
liche Zentrum der rriszt-Propaganda
gelten — nicht ganz vergebens ge-
wesen sein.

Von Richard Strauß standen
neben zwei kleinen Liedern und zwei
Proben aus „Guntram" die beiden
Gesänge op. mit Orchester im Pro-
gramm. So stilwidrig Orchester-
begleitung zu einem Liede im eigent-
lichen Sinne des Wortes ist, so be-
rechtigt ist die Komposition größerer
Hymnen oder balladenartiger Gedichte
sür eine Singstimme und Orchester.
Wir kommon dadurch auf eine Gattung
Musik zurück, die es früher in der

Allnftwart

Solo-Kantate mit Jnstrumenten auch
schon gab. Den beiden Gesängen von
Richard Strauß kann man doshalb
nicht den Vorwurf machen, über die
Grenzen einer Form hinausgegangen
zu sein; wenn sie mit begeistertem
Beifall aufgenommen wurden, so
wirkte freilich mohr das allgemeine
Gefühl, den Aeußerungen einer in-
kommensurablen Künstlerpersönlichkeit
gegenüber zu stehen als die unmittel-
bare Wirkung dcr Stücke, deren inner-
lich geschaute Farbentöne und deren
grelle Phantastik vom Hörer sehr
große Aufnahmefähigkeit verlangen.
Und doch war's eigentümlich, wie
klar und innerlich notwendig diese
Musik trotz des großen Apparates
klang, wenn man damit die andern
Novitüten verglich. Lange nicht so
kompliziert in der Harmonik, viel
einfachcr im Gedankengang, blieben
sie doch weit unklarer, sobald sie in
die Tiefe wollten, klangen sie viel ge-
quälter, selbst wo sie unter Menschen
blieben. Jch muh Schillings'
Symphonischen Prolog zu „König
Oedipus" ausnehmen, der bei weitem
das Abgeklärteste war, was die bo-
mwes novl zu bieten hatten. Zum
Propheten der andern müchte ich
nicht werden. Ob sich bei dem einen
die Stürme legen werden, ob dcr
andere statt setner Effektchen wirkliche
Musik bringen wird, ob das Unbe-
deutende nur Jugendsünde war, wird
sich von selbst entscheiden. Suk, der
ein Märchen im böhmischcn Lokal-
kolorit schrieb, hatte wenigstens den
Mut, hie und da einsach zu sein,
ein Finnländer Sibelius hat Sinn
für Klang. Aber schon in der Wahl
der Vorwürfe zeigt sich bei allen dor
Mangel an cigener Kraft und un-
widorstehlichem Drange, sich musika-
lisch auszüsprochen. Man nimmt ein
Modell und malt. Der alte Satz:
Lwor äooet musioum bekommt oin
neues, schlimmes Subjekt. Und sieht
man die Leute auf ihrem Kothurn

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