Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1901)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0360

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
denn je; denn alle wahrhaft neüe
Kunst hat, wirtschaftlich gesprochen,
nur Zukunstswert, hat in der Gegen-
wart noch keinen Kurs; sie bedarf also
einer Pflege, die nicht aufs „Geschäft"
sieht, unter dessen brutaler Peitsche ja
von Tag zu Tag mehr in unserm
Volke zu Grunde geht. Und die Kunst
bedarf eines Schützers, der sich nicht
klüger und erfindungsreicher dünkt, als
der Künstler, sondern der mit lächeln-
dem Munde zu sprechen weih: „nicht
gebieten will ich dem Sänger."

Ein deutscher Fürst, der dies ver-
mochte und der es gewagt, von gäh-
render Jugend zu heischen, was Zu-
kunst bringen soll: das ist nicht nur
eine ganz einzigartige Erscheinung;
das ist ein Faktor für unsere Kunst-
entwickelung, dessen Größe erst noch
die Zukunft lehren muß. Schon jetzt
aber legt diese That die Verpflichtung
auf, sie mit dem Maßstabe der Hoff-
nung, nicht mit dem der Erfüllung zu
mcssen. Es ist vieles noch Most in
Darmstadt, gelegentlich unabgcklärter
dazu : unter günstiger Sonne und sorg-
lich abschäumender Pflege aber gibt
es sicherlich doch noch cinen guten
Wein. bsans 2 ch l i ep in ann.

* Max Klinger hat jetzt mit
Veröffentlichungen begonnen, welche
alle, die ihn kennen, seit Jahren er-
wartet haben. Klinger spricht von
großen Stiftungen zu Gunstcn deutscher
Künstler, die nach seiner lleberzeugung
durch bekannte Persönlichkeiten zu
selbstischen Zwecken vereitelt worden
sind. Jn dcm einen Falle steht Karl
Stauffer-Bern im Mittelpunkt der
Geschichte — da Stauffcr tot ist und
praktische Konsequenzen nicht mehr
in Betracht kommen, so geht uns vom
Kunslwart dieser Fall Gott sei Dank
nichts an. Beim Fall Ernst Moritz
Geygerliegt's aber anders. Wir wollen
abwartcn, was Gepger auf Klingers
schwcre Bcschuldigungen zu antworten
hat, ehe wirunserseits darübcrsprechen,
denn seine erste einfache Ableugnung
Runstwart

ist noch keine Antwort, weil sie keine
Aufklärung ist.

Vermiscktes.

* Die Autom o b ilit is ist die
neueste itis", die uns beschcert wird.
Wo man in die Zeitungxn sieht, wird
für den Automobil-Sport Reklame
gemacht, hinten unter den Anzeigen
wie vorn im Text, und mehr und
mehr der Ungetüme mit dem Dauer-
husten rasen auf unsere Landstraßen
herum. Einer, der mitmachte, schilderte
neulich in einem Berliner Blatt die
Freuden, die man auf dem Automobil
genießt: „Was sind hier Entfernungen?
Kaum sieht man in dcr Ferne einen
Kirchturm aufblinken, so ist man auch
schon da, dort ragt aus dcr Ebene
ein Bergrücken hervor — tatatatatata,
ran sind wirl Und dann geht es ritsch
— die zweite Geschwindigkeit wird
eingestellt, und wir krabbeln den Berg
rauf und ratsch —dcr Motor nimmt
die vierte Geschwindigkeit, und wir
sausen ihn runter. Aber wie l Und
so saust man durch Dörfer, saust man
durch Städte, und es wird einem
ganz gleichgiltig, wie sic heißen und
wie sie aussehen. Ob der Boden, auf
dem man sich befindet, historisch ist
oder nicht historisch, ob er arm ist
oder reich, ob die Menschen schön oder
häßlich sind, ob dic Gegcnd saubcr
oder unsauber. Man befreit dcn Geist
von den Kleinlichkeiten des Lcbens,
der Blick weitet sich, und man gibt
nur auf das Acht, was des Beachtens
würdig erscheint. Der Adlerblick schaut
nach würdigcrBcuteaus"... zu dcutsch:
man paßt aus, daß man nicht an-
rennt. Dieses Problem fesselt vor
allem den so herrlich Beflügcltcn, und
so nähcrt sich diescr erhabene Sport
in seinergeistigenBedeutsamkeitwieder-
um dem altehrwürdigen des Anglers.
Erfüllt die Seele des cchten Angel-
SportmannS nur das eine Problcm:
„ob's anbeißt?", so füllt dic des Auto-
mobilisten das andrc: „ob's aneckt?"
 
Annotationen