Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI issue:
Heft 22 (2. Augustheft 1901)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Zum Falle Geyger
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0407

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
<4- Iakrg. Lnerles ^luguslkefb 1901. I^ekl Lr.

i^um ^alle 6eyger.

Nicht den Fall Geyger wollen wir heute besprechen, sondern es thun
unsrer Meinung nach einige Worte gelegentlich des Falles Geyger not-
Ob das Erbärmliche wirklich geschehen ist, das Klinger Geygern öfsentlich
vorwirft, wovon in allen Tageszeitungen des Breiten die Rede war und
wovon noch 'weiter darin die Rede sein wird, das zu entscheiden muß
letzten Endes Sache der Rechtsprechung sein. Klinger hat Geygers Aufforde-
rung, seine Behauptung zurückzunehmen, mit der Erklärung beantwortet,
daß er sie in jeder Hinsicht aufrecht erhalte, das heißt zu deutsch noch-
mals: „verklage mich, damit ich vor Gericht beweisen kann". Geyger
ist seiner Ehre schuldig, dem nachzukommen, und wir unserseits wünschen
ihm einen anständigen Ausgang aus diesen Verhandlungen um so mehr,
als für uns ziemlich aufmerksame Leser des gesamten Materials der
Eindruck seiner bisherigen Entgegnungen in recht hohem Maße uner-
quicklich war.

Aber ob man das Urteil über Geygers Verhalten auch vertagen
moge — die Aufnahme, die Klingers Vorgehen bei der Oeffentlichkeit
gefunden hat, die verlangt gcbieterisch eine Besprechung schon heut. Wir
behaupten: unsre Zeitungen haben vor der Aufgabe, eine ernste Sache
mit sachlichem Ernst zu behandeln, wicder einmal vollkommen versagt.
Jst es da Pflicht der Zeitschriften, die Tagespresse zu korrigieren, oder
soll dieses seichte Gekräusel einmal als der ganze Niederschlag der
üffentlichcn Meinung zu diesem „Falle" erscheinen?

Nehmen wir an: es behaupte einer, ein Geheimrat, — nein, kein
öffentlicher Beamter, nur der Kassierer einer Bank habe zu gemein-
nützigen Zwecken bestimmte Gelder veruntreut, der Beschuldigte aber
leugne das — wär' es dann möglich, daß die Tagespresse zwar alles
Für und Wider der „Sensation" wegen verzeichnete, in ihren eigenen
Glossen aber Beschuldiger und Beschuldigten behandelte, ungefähr als
wären's zwei, die sich prügelten? Die Beschuldigung Klingers geht,
moralisch gemessen, auf nichts leichteres, als solch eine Unterschlagung,

«unstwart 2 Augustheft tyoi

Z-7
 
Annotationen