Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI issue:
Heft 22 (2. Augustheft 1901)
DOI article:
Rundschau
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0439

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
VerhaltenbeidemjähenTodseinerFrau)
nur durch ein paar, und nicht einmal
inhaltsschwere Worte andeutet; da
merkt er es nicht, daß er in dem augen-
scheinlichen Bemühen, den Fortgang
der äußercn Handlung nicht zu hemmen,
seine eigentliche, die innere Handlung
zu entwickeln vergißt. Auch sonst spürt
man Stavenhagen den Anfänger manch-
mal an. Jürgens Charakter scheint
mir nicht konsequent durchgeführt:
eines echten Trotzkopfs Eigentümlich-
keit ist's, daß er gerade aus den
schlimmsten Folgen seiner Verbohrt-
heit erst recht Grund gewinnt, sich zu
verhärten: dasür endet mir der Alte
viel zu ausgesöhnt mit der Ordnung
der Dinge, die sich wider seinen Willen
entwickelt hat. Dann, einen so leben-
digen Eindruck Stavenhagens Platt
macht, im Hochdeutschen redcn seine
Leute für mein Gefühl noch zu sehr
„nach der Schrift": „Adieul Wir haben
uns beide nichts vorzuwerfen — wir
konnten beide nicht anders." „Alles
Drückende, Lastende fiel von mir." So
äußert man sich doch nur in Romanen,
so spricht das Leben nicht.

Aber trotz aller Bemängelung: im
ganzen macht das Werk eincn Lber-
wiegend erfreulichcn Eindruck: man
spürt ein Talent sich darin regen, das
nicht bloß über Empfindung verfügt,
sondern auch schon gestalten kann.
Davon zeugt mir namentlich der erste ^
Akt mit seiner frisch natürlichcn LiebeS-
szene und dem unvcrkcnnbarcnHeimats-
hauch, der darin weht; dann aber auch
im weiteren Verlauf des Dramas
manche dcrbtreffende Schildcrung länd-
lichen Milieus. Leopold lveber.

Obeater.

* Das erste Städtebund- !
theater ist nunmehr beschlossene
Thatsache. Die sechs Städte in Hinter-
pommern haben ihre Satzungen fest-
gestellt, die mit dcm Juli d. I. in
Kraft getreten sind. R. Löwenfeld ver- !
öffentlichtsieinder^Volksunterhaltung"

slll, und bezeichnet sie mit Recht
als grundlegend für alle weiteren Ver-
einbarungen zum Zweck gemeinsamer
Kunstpflege durch das Theater. Es
liegt hier wohl der erste Versuch vor,
die Verwaltungsgrundsätze des Ber-
liner Schillertheaters auf kleinere Ver-
hältnisse anzuwenden; Grundsätze, deren
wichtigster bekanntlich der ist, daß an
die Stelle des pachtendenUnternehmers,
dcr Gewinn wie Verlust auf eigenes
Konto zu buchen hat, nunmehr ein
Direktor als finanziell unbeteiligter
Beamter tritt, als Kommunalbeamter
auf gewisse Zeit, wie es deren ja in
jeder Gemeinde mehrere gibt.

Aber es ist hier doch mehr in Er-
scheittung getreten, als eine bloße modi-
fizierte Nachahmung bereits bestehen-
der Einrichtungen, und dieses Mehr, so
sehr es eigentlich hinter den Dingen
liegt, ist als theatergeschichtliches
Entwicklungsmoment das eigentlich
Wichtige. Das Schillertheater er-
stand als eine rein private Gründung,
als ein Aktienunternehmen wie — rein
formal genommen — hundert andere
auch, die sich ihre Jnteressenten ein-
zeln zusammensuchen. Jntereffenten
freilich sind ja die sechs Städte auch,
und ihrjeweiliger Anteilan demGrund-
kapital, das sie aufgebracht haben, ist
nichts anderes als ein Aktienanteil.
Aber es ist ideell doch ein ganz andcr
Ding, ob Rentier Lehmann sich eine
Theateraktie kauft, oder ob dies im
Auftrage und zum Besten seiner Stadt
der Bürgermeister thut; mag er auch
nur in einem Städtchen Meister sein.
Zum ersten Male zeigt sich hier dem
Theater gegenüber bei der kommunalen
Obrigkeit eine ernstere und tiefere Auf-
fassung: man möchte etwas Gutes
haben, man begnügt sich nicht wie bis-
her, einen Gnadenzuschuß zu den Kosten
zu geben und dessen Verwendung dem
spekulativen Sinn des Unternehmers
zu überlassen, sondern man übernimmt
selber die volle Verantwortung, wo-
für denn auch von vornherein den
2. Augustheft lyo;

»or
 
Annotationen