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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 7 (Aprilheft)
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Laun, Rudolf: Völkerrecht und Auslandsdeutschtum
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0014

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Der Vertrag von Bersailles ist aber aus einer völkerrechtstoidrigen Verlctzung
des Wassenstillstandsvertrages hervorgegangen und aus ein Getvirr surchtbarer
Jrrtümer und Untoahrheiten gestützt, die schon heute zum Teil von den Gegnern
zugegeben werden. Was also hier unserm selbstgeschassenen deutschen Rechte ge-
waltsam ausgepsropft ish widerspricht unserm Rechtsgesühl und unserm sittlichen
Empsinden aus das tiefste. Es ist sür unsere Anschauung, wie wenn mitten in
ein harmonisches Gemälde ein scheußlicher Fleck hineingekleckst wird.

Das deutsche Volk selbst, einig in seinen Stämmen, hat etwas anderes gewollt,
Das Recht, das das deutsche Volk für sich und sür alle andern Völker ausbauen
wollte, hat mit jener traurigen, jämmerlichen Weltordnung von igrg nichts gemein.
Dieses Recht, das wir schassen wollten, atmet den Geist der nationalen Freiheil
und der vollen Gegenseitigkeit unter den Völkern. Es geht zurück aus die tiessten
sittlichen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen, auf
die Liebe jedes einzelnen zu seinem Volk und zu seiner Heiniat, aus das nationale
Empsinden. Seitdem Fichte im Jahre 1808, niitten in den schwersten Zeiten der
napoleonischen Willkür und Gewaltherrschast, in seinen „Neden an die deutsche Nation"
das deutsche Nationalgefühl geweckt hat, seitdem in der Mitte des ig. Jahr-
hunderts das Nationalitätsprinzip seinen Siegeslaus in den Herzen der Völker
begonnen und ganz besonders zur Einigung Jtaliens und Deutschlands gesührt
hat, konnte der Weg auf die Dauer nicht zweifelhaft bleiben, den ein Volk ein-
schlagen muß, wenn eS zu einem dauernden, ehrenvollen Frieden mit andern Bölkern
aus Grundlage der nationalen Freiheit und der vollen Gegenseitigkeit gelangen
will. Dieser Weg ist seit der russischen Revolution von 1917 mit einem ge-
legentlich schon srüher gebrauchten Ausdruck in der Regel als jener der „Selbst-
bestimmung der Völker" bezeichnet worden.

Bereits in der Note, in der die Vereinigten Staaten gebeten wurden, die Her-
stellung des Friedens in die Hand zu nehmen, und die am 7. Oktober 1918 in
Washington überreicht wurde, hatte die deutsche Regierung erklärt, daß sie die be-
kannten Grundsätze des Präsidenten Wilson als „Grundlage für die Friedens-
verhandlungen" annehme. Dicsen Schritt des ersten parlamentarischen Reichs-
kanzlers hatte der Reichstag, der doch auch schon im alten Kaiserreich im wesent-
lichen eine Volksvertretung war, am L. Oktober durch eine Erklärung seines
Präsidenten Fehrenbach ausdrücklich gebilligt. Diese Grundlagen deS angeswebten
Friedens waren bekanntlich die vielgenannten Programmpunkte, die Präsident
Wilson in mehrercn Reden von Januar bis September 1916 verkündet hatte. Be-
sonders hervorzuheben ist unter ihnen ein Punkt, der sagt, daß Völker und Pro-i
vinzen nicht von Staatshoheit zu Staatshoheit herumgeschoben werden dürsen,
wie Gegenstände oder wie Steine in einem Spiel. Ein zweiter Punkt sordcrt die
Regelung aller Gebiets- und Souveränitätsfragen aus Grund der sreien Annahme
(kres aoceptanco) durch die unmittelbar betrossene Bevölkerung, ein dritter ver-
langt gleiche Rechte sür die beteiligten Dölker unter Verwersung aller Begünsti-
gungen. Wie immer diese Punkte im einzelnen ausgelegt werdcn mögcn, jedenfalls
bedeuten sie den Ausschluß gewaltsamer Annexionen, die Annahme von Gebiets-
veränderungen durch sreie Volksabstimmung bei den betrossenen Bevölkerungs-
teilen, endlich die Regelung aller Angelegenheiten nach dem Grundsatz der vollen
Gegenseitigkeit. Auch die Gegner haben, namentlich in dcn Noten des Staats-
sekretärS Lansing vom 2Z. Oktober und Z. November 1918, jene Punkte aus-
drücklich als Friedensbedingungen, als ^terms c>k peace" angenommen. Dahcr
waren die Bedingungen jener Kundgebungen Wilsons in rechtsgültigen, einer Rati-
sizierung nicht bedürstigen Kriegsverträgen rechtsverbindlich zu den Grundlagen
der bei Beendigung des Krieges zu schassenden neuen Ordnung gemacht. Daraus
 
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