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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 10 (Juliheft)
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Scholz, Wilhelm von: Grundsätze für die Fremdwörterverdeutschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0265

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verwandeln sie in leichter zu sprechende, die halb tonlos sind (Beispiel: aus
„Friedrichroda" wird im gemeinen Gebrauch „Friedrichrode", worüber einige Sprach-
sorscher allerdings der Meinung sind, die Form „rode" sei die ältere). Es wird
also zweiter Grundsatz der Verdeutschung sein müssen, daß das Ersatzwort nicht
länger oder schwieriger sein dars als das eingebürgerte Fremdwort. Wenn wir
sür das scheußliche „Chausseur" das viel längere „Krastwagensührer" oder „lenker"
sagen, wird es nie Gebrauchswort werden, wenn nicht die Öfsentlichkeit selbst etwa
eine gute Abkürzung sindet. Nur „Führer" oder „Lenker" zu sagcn scheint zu wenig
kennzeichnend zu sein; vielleicht ist das sür die Eisenbahnen wie die Straßenbahn
längst eingebürgerte „Schassner", das zudem dem „Chausseur" ähnlich klingt,
auch sür die Krastwagen aussichtsreich. Noch mehr steigt die Einbürgerungswahr-
scheinlichkeit eines deutschen Ersatzwortes, wenn es kürzer ist als das Fremdwort;
so könnte „Triebwagen" sür „Motorwagen" und „Krastboot" sür „Motorboot"
sich wohl durchsetzen.

Jn den sehr dankenswerten Verdeutschungsbüchern des Allgcmeinen Deutschen
Sprachvereins werden mehrmals eine Anzahl Verdeutschungen auch sür solche
Fremdausdrücke vorgeschlagen, die im Geschästsleben nur als ein Wort, das alle
anderen ähnlichen verdrängt hat, und mit einem ganz eindeutigen bestimmten
Sinn vorkommen. Mir liegen die Bücher im Augenblick nicht vor; ich glaube
mich aber zu erinnern, daß „a Conto" dazu gehörte. Hier scheint rnir das Ver-
deutschen mit mehreren Worten oder, was dasselbe bedeuten würde, aus eigene
Hand schädlich und nicht aussichtsvoll, weil es eine Bezeichnung, die nun ganz
allgemeiner Gebrauch geworden ist, durch die Möglichkeit verschiedener Verdeutschun-
gen aus ihrer klaren Bestimmtheit hinausdrängt und schwankend macht. Das ist
cinerseits ein geschästlicher Nachteil und kann aus der anderen Seite dem Fremd-
wort das Leben beträchtlich verlängern. Es wird also als dritter Grundsatz aus-
gestellt werden müssen, daß solche Fremdworte wic „Debet", „Credit", „Valuta"
usw. nicht von jedem Geschästsmann sür sich verdeutscht werden dürsen, sondern
daß bei ihnen die maßgebenden Körperschasten eine sozusagen amtliche llber-
setzung beschließen und der Geschästswelt bekannt geben. Ähnlich liegt der Fall bei
der Speisenbezeichnung, die jetzt unzweiselhast etwas durcheinandergeraten ist. Jch
habe „ragout fin" schon als „Muschelsleisch", „Würselsleisch", „Würzsleisch" und
noch mit anderen Benennungen wiedergesunden. Hier ist die Einheitlichkeit aller-
dings keine so wichtige Sache, und es kann ruhig der Zeit überlassen werden, daß
auch die deutsche Speisekarte überall gleichlautend wird. ^—

Wir besitzen eine große Anzahl gan; deutsch gewordener Fremdwörter, die als solche
dem ungeübten Blick gar nicht mehr erkennbar sind und die beträchtlich zum Reich-
tum unserer Sprache und zu ihrer Schönheit beitragen. Jch nenne „Dichter",
„Ziegcl", „Kutsche", Worte, die eine so heimatliche Stimmung haben, daß es ein
Verlust wäre, wenn wir sie nicht besäßen. Es sollte also weiter Grundsatz bei
der Verdeutschungsarbeit sein, daß nicht Fremdworte hinausgeworfen werden, die
versprechen, einmal ein schönes deutsches Wort zu werden. Das ist sreilich
m'cht leicht zu beurteilen und wird wohl in den meisten Fällen dem unbewußt
arbeitenden Sprachgeist überlassen werden müssen. Aber einigeS läßt sich auch
hier bewußt tun. Zunächst schreibe man ein Fremdwort eimnal deutsch; da wird
jcmand, der Sprachgesühl besitzt, schon erkennen, ob Hossnung besteht, daS Wort
wirklich einzudeutschen, wie es mit dem „Kontor" der Fall sein dürfte, wie es
sicherlich nicht bei dem „Schossör" (so schreiben Zeitungen) gelingt. Die langen,
aus sremden Stämmen und Endungen gebildeten Worte (Registrator, Jndividna-
lismuö, Photographie als Beispiele) versprechen da wcm'g; sie können gesahrlos
ganz ausgcschi'eden werden. Ebensowenig ist bei denen zu hossen, die uns sehr

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