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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 11 (Augustheft)
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Gurlitt, Ludwig: Das Altgriechische Akroterium
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0335

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archäologische Aristitule ^x^ch,^ Deren einmütiges Schwcigen soll lch gewiß
als Ablehnung deuten. Nun, so wende ich mich an unser gcsamkes kunsisinniges
Dolk und ruse es zu Zeugcn an.^ Die Maske soll nakürlich nicht ein gekreues Ab-
bild deS Derstorbenen scin. Welche Gedanken sie ausdrücken will, das erkennen
wir erst nach genauer Prüfung einer großen und glücklich erhaltenen Zahl
so'cher Grabbekrönungen. Jmmcr begcgnen wir aus ihnen dem gleichcn Spiralen-
paar, das wir schon als Augenpaar erkannt haben, und so wie man die Augen
cichtig ersaßt hat, so treten auch die wciteren Züge eincS menschlichcn Gesichtes

allmählich deutlich hervor. Hat man aber diese menschlichen Gesichter mit ihrem
stets Entsetzen erregcnden Ausdruck erst einmal erkannt, so wird man diesen Ein-
druck nic wieder loö. Wicder kann ich mich auf das Zeugnis von Kindcrn bernsen,
die ohne jede Anleitung in diesen Bekrönungen, die bisher die gesamte archäologischc
Welt alü rcin ornamentale Blattsormcn auffaßte, mit instinktiver Sichcrheit Fratzen
erkannten. Es sind in Wahrheit Fratzen, allerdings Fratzcn, die im Laubwerk
versteckt sind und ganz ersichtlich die Bestimmung haben, die ihnen naheudcn
Menschen zu erschrccken. Und damit sind diese kostbaren Denkmäler in Wahrheit
erklärt. Die alten Griechen fürchteten nichts mehr für ihre Derstorbenen, als
Zerstörung oder Entweihung ihrer Gräber, die sie sich als Wohnstätten der Ab-
geschiedenen dachten, deshalb auch bei Erinnerunggfesten mit Speise und Trank
versorgten. Sie unterließen deshalb nichts zur Sichcrung der Gräber, schriebcn
Verwünschungen gegen die aus die Steine, die es wagen würden, das Grab zu
zerstören oder zu beschmutzen, und brachten allerlei Bilder an dem Grabe an, die
Unheil abwehrende Kraft besaßen. Dazu gehören auch ineiner Überzeugung nach
die ans den Gräbern ruhenden Sphinre, die den Griechen als Menschcn würgende
Dämonen schrecklich waren, oder die Greise und Harpyen, denen man vielfach
allerlci ticfsinnige Bedeutungen geben wollte, während sie doch nichts andereö sind
als sogenannte Apotropcia, d. h. Unheil abwehrende Schreckbilder. Solche Kraft,
das Böse sernzuhaltcn, hat auch das Auge in hohcm Grade. Es gibt schöne große
sogenannte Augcnvasen — das Münchner Museum für antike Kleinkunst hat eine
ganze Reihe dicser kostbaren Stücke bester attischer Kunst —, und diese Augen
habcn zugcstandcncrmaßcn nur den Zweck, die bösen Geister zu verscheuchen. Jkht
können wir dic Deutung unserer Grabakroterien mit Zuversicht wagcn: sie zeigcn
' Vgl. dic cingcdiucklcn Al'lnlt>nngen.

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