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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Bartsch, Rudolf Hans: Von deutscher Liebe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0380

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Nun soll niemand über diese heiklen Sachen reden, als wer Erfahrung und Rechk
dazu hat. 2llso ein Sünder, ein heißer Mensch, ein unbedingt polygam Beranlagter,
dem die Frauen dreißig Jahre lang mit einer Kraft und Süßigkeit anhingen, daß
man davon entweder ein Affe oder ein demütig Nerzichtender werden mußte. Ms
schreibt nun, und das ift mir leid, kein Kinodarfteller über die Liebe. Denn dem er-
gehts noch viel reicher als einem Dichter, der zwar ein frifcher Offizier gewesen war,
aber in die nachdenklichen Jahre kommt, in denen man ein einsames Schinkenbein
liebevoller betrachten sollte, als cin Paar Mädchenbeine.

Dies eine muß ich nun, auf ein Leben zurücksehend, das reich an Liebe war, ftets
frählich, aus einem kummerlos fcheinenden, aber deutfchen Herzen erwidern, wenn
mich ein ehemaliger Kamerad aus luftigen Tagen frägt: „Du, nun wirft du's balö
nicht mehr erleben, daß sich Jede nach dir umdreht. Was haft du, bei deinen Chancen,
aus deinem Liebesleben gemacht!" Da antwortete ich dann (wenns der andere wert
ift), mit. einer Anekdote: „Hör zu. Es war einmal ein alter Schnapstrinker. Er
wurde durch den Rachenkatarrh, den ihm dieser Beruf zugezogen, fchwerhörig. Er
geht zum Arzt und sagt: »Doktor, ich hör gar nichts mehr.« Sagt der Doktor:
»Trink keinen SchnapS mehr, so wird dein Gehör sich bessern.« Sagt der Schnap-
serer: »Doktor, oft habe ich SchnapS zu trinken aufgehört. Ebenso oft hab ich
besser gehört. Aber alles, was ich gehört hab, war nicht so fchön, ,wie der Schnaps.«
Da mir beinahe nur ehemalige Kameraden diese Frage ftellen, auf die ich solche
Antwort gebc, bleibt sie faft ftets unverftanden.

Und ift sie nicht verhältnismäßig schlicht, diese Antwort?

„Ein getreues Herze wissen, hat des höchften SchaHes Preis."

Jch h a b's anderswo versucht; ich h a b' andere Liebe gefühlt, aber alleS, was ich
fühlte, war nicht so fchön, wie die Treue und Schönheit der Einen.

Aber nun noch einnial:

Wir leben an einer Zeitwende, in der es entfcheidend wird, ob, um sehr bitter davon
zu reden, die Liebe der Hunde auf hiHiger Straße unS Borbild sein solle oder dao
Ungeheure, niemals genug zu Erbetende, einen Menfchen gefunden zu haben. Das
Verhältnis der Gefchlechter zueinandcr ändert sich bei den europäischen Gojim völlig,
und mir ift dabei fchwer umS Herz, weil ich für die deutfche Seele fürchte.

Daß der Mann die Frau leicht aufgebe, das war immer so. Daß abcr die Männer
unserer Tage von den Frauen so leicht aufgegeben werden, macht ihnen wenig Ehre.
Don einer wertvollen Fvau mit Leichtigkeit vergessen und aufgegeben worden zu sein,
das ift doch der Niederlagen tieffte.

Was ift dagegen der Triumph, sie gelegentlich besessen zu haben?

Und nun geht es in unserm überfrcssenen, trotz Krieg und Not immer noch über-
fressenen und würdelos lebenden Dolk darum, ob der Mann und die Frau in der
seligen Freiheit der Tiere einander probieren sollen dürfen. Sich fchnell ein paar Wol-
luftseufzer zu vergönnen? Oder: Ob es um Leben und Tod gehen solle in der Liebe.
Jmmer sonft ift mir das Tier das Höhere; immer ift es mir, in seiner wunderbaren
klnbewußtheit, Gottes höchfteS Dorbild. Bloß in di'csem einen nicht.

Jn dieser Reihe von Gesprächen habe ich, ftets halb spaßhaft, auch viel „vom Gotte"
gesprochen. „D i e Gottheit sucht u n s", habe ich gesagt, sie brauche uns, um
durch uns zu ihrer Besinnung zu kommen. Sie rede in der rührendften und zarteften
Hilflosi'gkeit zu uns: durch die Mathematik ihrer Stcrncngesetze, wie durch die Mathe-
matik der Musik, welche auch fchon richtig durch Ilnknndige nnd Unmathematifche
derselben Atonalität zugeführt wird, wie die Liebe.

Und „Gott" verzagt, bittet aber doch weiter, wie ein Bettler.

„Er" ift ja nur ein Bild; aber Er baut seine Schriften überhaupt gar nicht anders
auf, als durch Bilder.

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