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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Horf, ...: Neueste Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0392

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EchultzeÄaumbiirg ist der Uertreter jener älteren Denkart, die uns in dankenSwerter
Weise wieder Gesühl sür Wohnlichkeit, vor allem aber Elnstellung eines Hauses
in den Landschastszusammenhang gebracht hat. Jn diesen beiden Grundbeziehun-
gen können die Jüngsten weiterhin nur von ihm lernen, nach diesen Seiten hin
ist ihre Anschauung noch nicht genug entwickelt. Die neuesten Würselhäuser sind ost
stohig in die Landschast abgestellt und machen den Eindruck von kleinen Separatge-
sängnissen. Aus den iöyllisch (manchmal zu idyllisch) spielenden Zug der meisten Bau-
ten Schultze-Naumburgs hin ist neuerdings ein Streben nach schneidend puritanischer
Monumentalität hervorgetreten. Es bleibt bezeichnend, daß dem Älteren vorwiegend
das behäbige, bürgerliche LandhauS, den Jüngeren vorallem die Fabrih, das Warenhaus
geglückt ist. Erst ganz neuerdingS treten gute Wohnbauten der neuesten Art hervor.
Echultze-Naumburg ist traditionSgebundener Reformist, der nur in E i n z e l h eiten
am alten Hausbau umgestaltete. Seine architekturgeschichtliche L e i st u n g wird aus
der Ferne einst nur „Wiederausnahme und Nachahmung des i8oo-Hauseö" heißen,
womit, da es sich damals um einen gutcn Haustyp handelte, in guten Fällen bereits
viel erreicht war. Aber es waren Reformen nur des äußeren Gewandes und Ge-
schmackes. Rückwärtsgerichtetes Jdyll, über welches nach einiger Zeit hinauSge-
schritten werden mußte.

Das Zeitalter des Telephons, des Radios, der neuen Eisenkonstruktionen und dcö
Betongusses brachte ganz andere Einstellungen und Baumöglichkeiten. Neue soziale
Ausblicke drängten andere Probleme in den Bordergrund. Die „weibliche" Liebe zur
Tradition, gewiß ein edler Affekt, machte bei der besten Jugend einer stärkeren männ-
licheren Haltung Platz, einem ausgreifenden Strebcn in die Zukunst, einem Ent-
werfen kühner, erweiternder Möglichkeiten.

DaS Flugzeug, der D-Zug-Waggon, der Ozeandampfer wurden Borbild: jene stäh-
lernen Wohn- und Gleitmaschinen, die in ihrer inneren Präzision, in der gekappten
Sachstrenge und ausdrucksmäßigen Sparsamkeit ihres Gebarens dem neuen Lebenö-
willen entsprechender erscheinen. Soziale Not örängt nach den schlichtesten Lösungen,
gibt auch dem Besitzenden aus, sich durch unterstrichene „Billen" nicht mehr abheben
zu wollen. Hierzu hatte jene resormistische Architektur selber schon auszurufen begon-
nen. Als technisch am schnellsten veralteter Teil unsreö Wohnhanscs wird von den
Neuen allgemein das hohe Dach bezeichnet, daS man in romantischer Berkleidung,
in Nachahmung alter Bauernhäuser auf jede bessere Billa hatte stülpen wollen, als
ob wir in jener alten technischen Periode lebten. Hier sehen die jüngsten Architekten
meist eine Lüge (wir wollen vorsichtiger von „Getue" sprechen). Seitdem nian mit
neuen Materialien slach abschließen konnte, wurde der zum großen obersten Teil
immer tote, spitze Dachraum als abschneidbar empsunden, daö flache „Dach" (das
Nicht-Dach eigentlich) kam aus. Es ist, zunächst aus dem Papier, ein Stil hierauS
geworden, dem die Jüngsten aller Länder deS Erdballs in seltsamer Gleich-
mäßigkeit zuzustreben beginnen. Daß hierin noch wenig auögeführt, wurde, sagt
nichts gegen das Kommen solcher Entwicklung, denn allgcmeine Not hat alles
Bauwesen inö Stocken gebracht. Auch ist Architektur aus dem Papier zu allen
Zeiten weiter gewesen als in Wirklichkeit, weil man immer Wartezeiten braucht,
bis sich die Auftraggebcr, die doch daö Heft in der Hand behalten, den längst geplanten
Neuerungen anschließen. Das slache Dach wird im Sommer Dachgarten sein, um-
sassender Freiraum, hoch oben mit unverstelltem Blick in die Ferne. Bei größeren
Hauskomplexen wird hicr LandungSmöglichkcit sür konnnenden Flugverkehr bestehen.
Daß die neuen Materialien im Winter Tragfähigkeit für größte Schneemassen be-
sitzen, haben Beispiele (z. B. in Davos) erwiesen. Man wird dcn Schnee nicht
abzuräumen brauchen, da dieser Platz im Winter sowieso kaum benutzbar ist. Bei
zwci Zentimeter Neigung aber wird alleö Schmelzwasser des Frühlings von selbst

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