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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1913)
DOI Artikel:
Miltitz, Dietrich von: Adel und modernes Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0035

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Adel und modernes Knnsthandwerk

ie Deutscheir Werkstätten für Handwerkskunst versenden ein Rund-
»-H ^schreiben, in dem sie daranf hinweisen, daß der Adel im Gegen-

satz zum gebildeten Bürgertum den Bestrebungen des modernen
Kunsthandwerks gleichgültig, ja fast ablehnend gegenübersteht. Das Rund-
schreiben wirbt nm die Teilnahme des Adels und spricht dabei die An-
sicht aus, daß diese Teilnahme in Verbindung mit der des Patriziertums
notwendig sei, um der Handwerkskunst „Verfeinerung nnd eine neue Art
von historischer Legitimität" zu geben. Als der gewünschten Teilnahme
des Adels hinderlich wird seine Vorliebe für die historischen Stile
empfunden.

Die in dem Rundschreiben beklagte Gleichgültigkeit muß im allge-
meinen zugegeben werden. Ls fragt sich nun, ob eine größere Leil-
nahme die von den „Werkstätten" erwarteten Wirknngen haben würde
und ob sie zu erwarten ist.

Wenn der Verfasser des Rundschreibens wünscht, daß das nene Kunst-
gewerbe sich „in allen seinen Teilen zu aristokratisieren suche", so weiß
ich nicht, ob er damit auf dem richtigen Wege ist. Das Kunstgewerbe
muß, wie alle Kunst, der Niederschlag, der Ausdruck der in seiner Zeit
wirkenden Kräfte nnd Ideen sein, sonst HLngt es in der Luft. Diese
Ideen und Kräfte sind aber in der Gegenwart vorwiegend demokratischer
Natur, darum bezweifle ich, daß ein starker aristokratischer Einschlag die
Lebensfähigkeit des modernen Kunsthandwerks erhöhen würde. Ioseph
Augnst Lux wendet sich in seinem „Geschmack im Alltag" mit Recht gegen
die Unsitte, beständig von „herrschaftlichen" Wohnungen und Wohnungs-
einrichtungen zu sprechen, da „wir demokratischen Menschen" des 20. Iahr-
hunderts doch keine „Herrschaften" seien, wie es die Grandseigneurs des
s8. waren. Nun weiß ich gar wohl, daß dem Herrn Verfasser des Rund-
schreibens, wenn er vom Aristokratisieren sprach, keineswegs die häßlichen
Albernheiten vorgeschwebt haben, die von Möbelhändlern und Woh-
nungsvermietern häufig als „herrschaftlich" oder „hochherrschaftlich" an-
gepriesen werden. Immerhin scheint er mir zn viel befruchtende Ein-
wirkung auf ein neues Werden von seiten der Kreise zu erwarten, die die
Vertreter und Epigonen einer abgeschlossenen Entwicklung sind. Die
Möglichkeit, daß der geläuterte Geschmack, den eine alte Knltur verleiht,
auf die nenentstehende günstig einwirke, soll nicht geleugnet werden. Eine
stetige Entwickelung auf der Grundlage des Bestehenden ist dem allzu-
raschen Aufbau auf einer tabula rass gewiß vorzuziehen, doch wird die
Einwirkung der Vertreter des Alten wohl mehr im Ablehnen und Be-
schneiden der Auswüchse bestehen, die jedes Produkt jngendlich gärender
Kraft hat, als im Fördern und Befruchten.

Der Gedanke von der „historischen Legitimität", den sich das neue
Kunstgewerbe beim Adel holen soll, kommt nur insofern in Betracht als
man ihn zn den „Lußeren Gründen" rechnet, aus denen das Nundschreiben
die Teilnahme der Aristokratie wünscht. Der Geschäftsmann muß eben
auch mit den Schwächen der menschlichen Aatur rechnen und ebenso, wie
es der Verbreitung eines Haarwassers förderlich ist, wenn der Fabrikant
auf die Flasche schreiben darf „im täglichen Gebrauch Sr. M. des Kaisers",

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