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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 11 (1. Märzheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: C2H6O und Begeisterung: an unsere akademischen Bürger
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Gjellerup, Karl: Schopenhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0368

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meinsamem Ausschwung erst durch ihn Hemmungen beseitigen müsse,
die sie sonst im Banalen halten würden. Trinke, wer's nicht anders
mag, seinen Trauben- oder Gerstensaft, wir alle jedoch sollten end--
lich dafür sorgen: daß der Komment weder dazu zwinge, noch daß
er's nahe lege. Wir sollten endlich sorgen dafür, daß auch der
Nichttrinker unter uns beim besonderen wie beim allgemeinen Feste
als Vollgeachteter und Ganzwillkommener mit uns sein könne, damit
nicht länger selbst bei hohen vaterländischen Feiern der Zwang zum
Alkohol Voraussetzung gemeinschaftlicher Erhebung sei. Als wäre
die wichtigste Frage, wenn wir großer Güter gemeinsam sroh ge--
denken wollen, die: trinken oder nicht?

Die Zeit ist ernst — es sind nicht nur die Schwarzseher -unter
uns, die meinen: trotzdem kein sremder Eroberer im Land, ist heute
die Weltlage vislleicht kaum minder ernst, als vor hundert Iahren,
wo neben Ssterreich auch Rußland und England zu uns standen.
Wenn eines not tut: berauschen wir uns nicht mit Worten, mit
Bildern, mit Erinnerungen, die uns mit Selbstherrlichkeitsgefühlen
abziehen könnten von der Tat. Die bescheidenste Tat, in dsr Rich--
tung vorwärts mit Festigkeit uNternommen, wiegt ja schwerer als
das dröhnendste Wort. Ihr, die ihr noch jung seid, sorgt dafür,
daß man sagsn kann: bei den studentischen Gedenkfeiern für lMZ
war zum erstenmale der alte Komment mit seinem Trinkzwange
abgeschafft. Möge jetzt, hundert Iahre nach der deutschen Erhe--
bung, die deutsche gebildete Iugend zum ersten Male beweisen:
daß dsr Gedanke Verleumdung war, sie müsse für ihre Köpfe den
Geist aus Flaschen beziehn. Sorgt dafür, und ein neuer Schritt
zur völkischen Stärkung ist durch Euch, ihr in die Zukunft Führen-
den, geschehn! Ferd. Avenarius,vr. pdil. K. e.

W

Schopenhauer

ls Wagner dem Lenbachschen Schopenhauerbilde gegenüber--
stand, hegte er nur die eine tzoffnung für die Kultur des
''deutschen Geistes: daß die Zeit komme, in welcher Schopen-
hauer zum Gesetz für unser Denken und Erkennen gemacht werde. Zu
einer Zeit, wo Schopenhauers Antipode, Nietzsche, noch immer der
Modephilosoph ist, könnte man meinen, jener von Wagner heran-
gesehnten Zeit ferner denn je zu sein. Freilich, Schopenhauer war
nie Modephilosoph und wird es nie werden. Er war es nicht, was
man auch davon gefabelt haben mag. Denn daß zeitweilig Einige
mit pessimistischen Allüren schön getan und ein wenig schopen-
hauerianisiert haben — etwa wie Paul Heyse in den „Kindern der
Welt" — das gehört doch schließlich nur zum Satyrspiel des Ruhms.
Nnd er wird es nicht werden. Der da gesagt hat, man solle das
Leben verneinen, nicht so sehr wegen dessen Leiden wie wegen dessen
Freuden, der kann den Vielen immer nur ein Argernis und den
wortführenden Wenigen eine Torheit sein. Noch mehr als von Kierke-
gaard gilt es von Schopenhauer, daß sein Leser „der Einzelne" ist.
Er ist so absolut „unzeitgemäß", wie derjsnige, dsr dies Wort prägte,
das Entgegengesetzte war und ist. So sehen wir denn auch heute,

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