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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 11 (1. Märzheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0437

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hören einer Musik (die etwas Be-
stimmtes zu schildern bezweckt),
durch alle die reichen Kunstmittel
hindurch, den deutlichen, begrenz-
ten, kalten, nüchternen Begriff
durchschimmern und am Ende her-
vortreten sehen, welcher der Kern
dieses Werkes war, dessen ganze
Konzeption mithin nur im deut-
lichen Denken desselben bestanden
hat und demnach durch die Mit-
teilung desselben von Grund aus
erschöpft ist, so empfinden wir Ekel
und Unwillen: denn wir sehen uns
getäuscht und um unsere Teilnahme
und Aufmerksamkeit betrogen. Ganz
befriedigt durch den Eindruck eines
Kunstwerks sind wir nur dann, wenn
er etwas hinterläßt, das wir, bei
allem Nachdenken darüber, nicht
bis zur Deutlichkeit eines Begriffes
herabziehen können. Das Merkmal

jenes Hhbriden Ursprungs auf blo-
ßen Begriffen ist, daß der Arheber
eines Kunstwerks, ehe er an die
Ausführung ging, mit deutlichen
Worten angeben konnte, was er
darzustellen beabsichtigte: denn da
wäre durch diese Worte selbst sein
ganzer Zweck zu erreichen gewesen.
Daher ist es ein so unwürdiges wie
albernes Unternehmen, wenn man,
wie heutzutage öfter versucht wor-
den, eine Dichtung Shakesperes oder
Goethes zurückführen will auf eine
abstrakte Wahrheit, deren Mittei-
lung ihr Zweck gewesen wäre. Den-
ken soll freilich der Künstler bei der
Anordnung seines Werkes: aber
nur das Gedachte, was geschaut
wurde ehe es gedacht war, hat nach-
mals, bei der Mitteilung, anregende
Kraft und wird dadurch unvergäng-
lich. Schopenhauer

Unsre BiLder und Noten

^"^ndwig Zumbuschs Buben- und Mädelköpfe, wie wir ihnen in
„Iugend" begegnet sind und wie auch ein „Gesundbrunnen"-
' Kalender ihm eines verdankt, sind allerliebste Sachen, aber man täte
dem Künstler doch Anrecht, wenn man sein Vermögen nach ihnen be-
urteilen wollte. Das köstliche Mädchenbildchen, das diesem Heft
vorgesetzt ist und dessen Original sich Zumbusch wohlbedacht für den
eigenen Raum zurückbehalten hat, leidet in unsrer Wiedergabe gleich fast
allen solchen Farbendrucken an der Autothpiasis, zeigt aber trotz dem
schwarzen Anlauf mehr Ursprünglichkeit und mehr malerische Intimität
als das meiste, was von ähnlichen Gaben unsres Künstlers sich all-
gemeinster Veliebtheit erfreut. Wie lustig dann die Federzeichnung des
Bildes „Kampf" aus dem Kalender „Kunst und Leben"! Nicht nur,
weil das starke Geschlecht mit so aufrichtigem Entsetzen der heldenhaften
Frauenrechtlerin unterliegt (man beachte auch den verzweifelten Griff
des linken Opferarms), sondern zugleich wegen des großen Stils der
kompositorischen Aufmachung. Scheint doch die pyramidenförmige und
isolierte Gruppe gerade wichtig genug für einen Heldenkampf vor Ilion.
Nur darf man über den Feinheiten und Lustigkeiten nicht vergessen, daß
wir pon Zumbusch auch schon große Kunst erhalten haben. Das Be-
deutendste, was er uns gab, bleibt für mich sein „Hochgericht", dessen sich
die Leser wohl noch von einem früheren Kunstwartjahrgange (XIII, (6)
her erinnern, und das auch in unser Balladenbuch übergegangen ist.
Ein Werk, bei dem mit einer ganz merkwürdigen Stimmungskraft die
Karikatur zum groß Schauerlichen benutzt war. Schade, daß wir auf

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