Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1913)
DOI Artikel:
Pfarrbeamte
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zum Fall Kotzde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0225

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
steht sich. Wenn aber der Staat ihm das „freistellt", wieso „beweist" er
dadurch, „daß es ihm gar nicht um Gewissensknebelung zu tun ist"? Man
könnte wohl eher sagen: er benutzt seine wirtschaftliche Abermacht, um
Schwache dahin zu bringen, auch gegen ihr eigenes Gewissen zu tun, was
dem Staate gefällt. Iedenfalls würde mit einer Einführung der „Pfarr--
beamten" die Autorität der Geistlichkeit nicht wachsen, da man bei Posi-
tiven oder Liberalen im Staatsdienst weniger als jetzt von der sittlichen
Unabhängigkeit ihres Tuns überzeugt sein könnte.

Zweitens: ist denn der Staat höchster Selbstzweck? Wer ihn nicht
dafür, sondern für ein Mittel HLlt, für eine Organisation zur Steigerung
der Menschheit, der wird meinen: der Staat stellt wie seine Gelehrten
so auch seine Geistlichen als Fachleute an, damit sie ihre Aufgaben eben
als die berufenen Sachverstäirdigen nach ihrer Äberzeugung verwalten.
So daß sich's in Konfliktfällen fragt: haben jener oder hat er, der
Staat, sich anzupassen? A

Zum Fall Kotzde

liegen zwei Erklärungen vor, auf dis ich zu verweisen habe.

Die eine von ihm unü seinem Verleger selber zur „Abwehr" der
Erklärung des Dürerbundes. Darin steht, der Dürerbund sei „Partei",
denn der Hamburger Iugendschriften-Prüfungsausschuß arbeite an seinem
„Natgeber" mit. Dann ist jeder „Partei", der jemand zur Mitarbeit für
befähigter hält als seinen Gegner, wie der Dürerbund den Hamburger
Prüfungsausschuß für geeigneter zu solchen Arbeiten HLlt als Kotzde und
Genossen. Stimmten wir deren Anschuldigungen zu, selbstverständlich:
mit der Hamburger Mitarbeit bei uns wär's morgen aus. Aber die An-
klage heimlicher sozialdemokratischer Propaganda durch die Hamburger ist
für den Dürerbund-„Ratgeber" leicht beweisbar falsch. Man schlage
ihn auf, S. HO, geschichtliche Iugendbücher. Was wird dort empfohlen?
Vollmers „Deutsch-französischer Krieg", Stolls „Geschichtliches Lese-
buch", Rehtwischs „Königin Luise", Biedenkapps „Graf Zeppelin",
Saumleit und Gärtners „Königin Luise", Flecks „Kriegsfahrt",
Rochlitz' „Lage der Gefahr" (Schlacht bei Leipzig), Kleins „Frösch-
weiler Lhronik" und, „mit besonderer Freude begrüßt", Stellings
„Bismarck-Briefe". Kein andres, nicht ein einziges „unpatrio-
tisches" Buch, das ist die vollständige Auswahl, die für diese Ab-
teilung die Herren getroffen haben, wegen deren sozialdemokratischer Pro-
paganda Kotzde und Scholz zum Himmel klagen. Vielleicht ahnen die
Aueingeweihten aus diesem Beispiel, wie es mit der Zuverlässigkeit
Kotzdescher Behauptungen und Verallgemeinerungen steht.

Aber der Herr verdächtigt weiter. „Iedenfalls will uns nicht scheinen,
daß der Dürerbund gegründet wäre, um in einem Kampf um den
vaterländischen Gedanken für die Schädiger dieses Gedankens Stellung zu
nehmen." Haben wir denn für Kotzde Stellung genommen? Der ist
es doch, in dem wir ebenso wie in den Werning L Co. Schädiger der
vaterländischen Gedanken sehn. Weiter: Kotzde spielt auf meinen Kunst-
Wart-Aufsatz über Iugendpflege „Auf falschem Geleis?" als auf eine be-
dauerlich unpatriotische Leistung an. Ich ersuche ihn, diesen Aufsatz so
oft zu lesen bis er ihn verstanden hat. „Alle, die Zeit und Kraft an

(74 Kunstwart XXVI, 9
 
Annotationen