Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI issue:
Heft 9 (1. Februarheft 1913)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Pfarrerbeamte
DOI article:
Pfarrbeamte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0222

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Studenten könnten mehr als bisher dazu tun, daß die Ausländer bessere
Gelegenheiten erhielten, sich in unsre Art einzuleben. Sie könnten
außerhalb der Wissenschaft nützliche Berührungspunkte zwischen Deut-
schen und Ausländern schaffen, sie könnten in einem „gehobenen Verkehr"
mit den Ausländern, könnten auch auf Ausflügen und Wanderungen den
Ausländern die Möglichkeit bieten, deutsches Volksleben anf sein Wesent-
liches hin zu beobachten. Freilich, kein Student kann eine Aufgabe dieser
Art lösen, der sich nicht selbst seines Volkstums bewußt ist, der sich nicht
dem Ausländer gegenüber auch als Repräsentant seines Volkes gibt. Wer
das nicht versteht, sondern den Fremden nur mit allerlei persönlichen Meinun-
gen und politischen Streitereien kommt, wird dessen Rrteil nur verwirren.

Endlich ein Letztes: wir müssen von jedem Ausländer, der immatriku-
liert werden will, vsrlangen, daß er die einfachste Vorbedingung erfülle,
die nötig ist, um deutsches Volkstum kennen zu lernen: daß er deutsch
verstehe. Es ist erstaunlich, daß man das erst fordern muß, aber in Wirk-
lichkeit finden wir hier noch Mängel schlimmster Art. Es studieren Hun-
derte von Ausländern in Deutschland, die zum Erbarmen wenig Deutsch
verstehn. In diesem Punkt Wandel zu schaffen, ist Aufgabe der Behörde.

Chr. Wienecke

PfarrerbearnLe

«HU dem Aufsatz „Religiöses Beamtentum?" hat uns ein
^^Staatsrechtslehrer einen Brief geschrieben, den wir dann einem Lheo-
^Dlogen zur Beantwortung gaben. Hier, was der eine und was der
andre denkt.

Der Staatsrechtslehrer schrieb:

„In dem Aufsatze hieß es: »Ein Pfarrer, der als Seelsorger Beamter
ist, ist innerlich genau so unmöglich wie ein Forscher, der als Denker
Beamter ist und die Ergebnisse seiner Forschung sich nicht von der ihm
erkennbaren Wahrheit, sondern von dem Gutbefinden der Regierung be-
zöge.«

Mir will scheinen, daß man sehr gut sowohl als Seelsorger wie als
Denker — wie übrigens auch als Künstler und überhaupt in jeder Tätig-
keit, die freies und eigenes inneres Erleben voraussetzt, —
Beamter sein kann. Dieser Meinung widerspricht nun freilich ein sehr
wirkungsvolles Vorurteil: Alles Beamtentum ist wesentlich Gehorsam
gegen die Oberbehörde. Den frei schaffenden Beamten kann aber sein
Gewissen zwingen, zu handeln, wo die Behörde verbietet, und zu lassen,
wo sie befiehlt. Demnach schienen in der Tat das »oberste Regulativ eines
Beamten für seins Tätigkeit nicht mehr dem eigenen Gewissen entnommen
zu werden, sondern der Rücksicht auf das Gutbefinden seiner Behörde«.

Aber bei dieser Schlußfolgerung ist ganz übersehen, daß der Wider-
spruch zwischen dem Willen der Behörde und dem Willen des Beamten
ja gar kein notwendiger ist. Er kann sich ergeben, aber muß
er es? Gibt es nicht soundso viel freischaffende Beamte — Pfarrer, Denker,
Künstler —, die durchaus ihrem Gewissen gemäß tätig sind und damit zu-
gleich durchaus auch dem Willen ihrer Behörde gemäß? Wo solcher
Gleichlauf, solcher Parallelismus von Herzenspflicht und Amtspflicht be-
steht, kann keine Rede davon sein, daß diese an Stelle jener das oberste
Regulativ der Lätigkeit sei, sondern wir haben dann den wünschbarsten

l- Februarheft WS
 
Annotationen