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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI issue:
Heft 11 (1. Märzheft 1913)
DOI article:
Herter, Hans: Vom Hochschulleben: zur Gründung einer hamburgischen Universität
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0385

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Vom Hochschulleben

Zur Gründung einer hamburgischen Aniversttät

^M^iesmal war es Hamburg, von dem wir eine Besserung der schwerst-
^-H^wiegenden Äbelstände im deutschen Hochschulleben erhofften. Denn
keine Gründerin konnte, so schien es, mehr berufen sein, Besseres
zu schaffen als was wir überall haben, Vorbildliches für die großen
Ziele und Gedanken der Universitätreform, eine Organisation, die dann
durch die still anregende Kraft des Vernünftigeren allmählich das Veraltete
auch anderswo von mehreren und mehreren als solches erkennen ließe.
Zudem: Hamburg ist voraussichtlich für einige Zeit die letzte Stätte
dazu; auf Dresden wird man kaum rechnen, und ehe sich an den bestehen-
den Aniversitäten etwas Neues durchsetzt, können viele Iahre vergehen.

Warum geschieht so viel für die Reform der Schule, so wenig für eine
Reform der Aniversitäten, ja auch nur für eine Aussprache darüber?

Als der Kunstwart vor vierthalb Iahren zum ersten Male über die
notwendige Reform der Aniversitäten sprach, war unsere erste Klage, daß
so wenig Teilnahme für diese Fragen zu bemerken sei. Kommt
das nur daher, daß der Deutsche sich seinen Stolz auf die „Vorbildlichkeit"
der deutschen Aniversitäten sich nicht nehmen lassen will? Wir wissen es
nicht. Aber unbestreitbar sehen viel zu Wenige die tief im Wesen der
Wissenschaftformen verankerten, durch Aberlieferung und Organisation
befestigten Schäden unsrer Hochschulen. Insbesondere werden sie von
viel zu wenigen unter dcn tzochschullehrern selbst gesehn, die an ihre Formen
gewöhnt sind. Der Stillstand im Hochschulleben hat aber auch politische
Gründe, E tzie wohl am allerwenigsten im Sinne einer auf öffentliche
Wahrhaftigkeit gerichteten Kultur liegen.

Von größter Bedeutung ist die rechtliche Innengestaltung der Uni-
versitäterr für alles, was an ihnen geschieht. Diese Seite wird ja, natür-
lich auch mit aus politischen Gründen, von oppositionellen Zeitungen
häufiger betrachtet. Als hervorstechendster Fall wird der des National-
ökonomen Bernhard in Berlin gelten können, der vom Ministerium gegen
den unzweideutigen Willen der Fakultät der Berliner Aniversität auf-
gedrängt wurde, was nachmals zu den peinlichsten inneren Streitigkeiten
führte, die das Ansehen der Aniversität schädigten. Aus jüngeren Tagen
stammen die verschiedenen Fälle, wo das preußische Ministerium im
wesentlichen aus kirchenpolitischen Nücksichtcn wiederum gegen den Fakul-
tätwillen seinem Willen Geltung schaffte; vor uns liegt da ein Zeugnis
des bedeutenden Lheologen Iülicher, der die zwanzigjährige Geschichte
der „Entmündigung einer preußischen Lheologischen Fakultät" geschrieben
hat*, ein ebenso bitteres wie wahres Dokument, das nicht nur die traurige
Geschichte der Marburgischen Berufungen durchwegs sachlich und mit
einwandfreier Klarheit schildert, sondern auch die Tendenzen des Ministe-
riums und die gesamte zeitgeschichtliche Bedeutung der Fragen. Ie mehr
ein gewisser „moderner", aber nicht liberaler Geist in die ordentlichen
Professuren zwangmäßig eingeführt wird, um so mehr beherrscht er die
Prüfungen. Mit andern Worten: es kann um so leichter dahin kommen,
daß unsere künftigen Seelsorger und Diener am Wort jahrelang während

* Broschüre, 58 S., I. C. B. Mohr, Tübingen, l M.
l- Märzheft W3 3s5
 
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