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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 8 (2. Januarheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Des Kaisers neue Kleider
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Krukenberg, Elsbeth: Die Mutter als religiöse Erzieherin
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0112

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Die Größtgemrrndeten jedoch hielten's mit Meier-Gräse: was sie nicht
sahn, das hatte keinen Wert. Guter Kandinsky, zürne den Meier--
Gräfe L Co. nicht, falls sie dich Anter den Linden nicht grüßen und sagen
sollten, du wärest kein Hauptkerl: daß in Deutschland die Leute über»
haupt auf dich und die Deinen achten, wenn sie „Geist" suchen, statt
auf die vom Böcklin-Klingerschen Geschlecht, das dankst du letzten
Endes doch dem blühenden kunstkritischen Nouveauts-Betriebe. A

Die Mutter als religiöse Erzieherin

^kV^enn wir in die Not unsrer Zeit auf religiösem Gebiete hinein-
^ sehen, in die Kämpfe die nicht nur in der evangelischen Kirche,
sondern auch — die Modernistenbewegung gibt Zeugnis davon
— in der katholischen Kirche in den Gewissen der Menschen cntstehen,
so haben wir wohl hie und da den Eindruck, als wenn das Haus
und in dem Zaus die Mutter, der ja an erster Stelle die Seelen
der Kinder vertraut sind, in religiösen Dingen nicht tzalt und Weisung
genug mitgäbe. Daher das unklare Tasten, das schroffe Ablehnen der
Iugend überlieferten Formen gegenüber; daher die innere Unmöglichkeit
in so manchen Kindern, über religiöse Zweifel daheim im Elternhaus
zu sprechen, daher das rücksichtslose Äber-Bord-Werfen alter ehrwürdiger
Glaubensvorstellungen, das sich Besserdünken und Klügerdünken der
Iugend gegenüber einer älteren noch an kirchlichen Formen festhaltenden
Generation, wie es die Gegenwart so besonders stark zeitigt.

Von jeher hat es Gewissensnot gegeben auf religiösem Gebiet. Von
jeher hat es aber auch Mütter gegeben, die dieses Gebiet innersten
Erlebens ihren Kindern so zu erschließen gewußt haben, daß sie ohne
zerstörende Konflikte eine harmonische Weiterentwicklung nehmen konnten,
auch in religiöser Beziehung.

Was kann eine Mutter tun, um das religiöse Leben des Kindes
zu fördern?

Ich möchte zunächst — herrschenden modernen Anschauungen entgegen —
dem Festhalten auch an überlieferten Formen bis zu einem gewissen
Grade das Wort reden. Die Grenze, bis zu der es geschehen darf,
ist das Wahrhaftigkeitsgefühl des Kindes. Beobachten von
Frömmigkeitsformeln soll und darf kein Zwang sein. Sobald das Kind
oder der heranwachsende junge Mensch Teilnahme an solchen Formen
ablehnt, weil sie ihm widerstehen, weil er sich selbst dabei als unaufrichtig
empfindet, muß man ihn gehen lassen, muß Verständnis zeigen für
solche Außerungen innerer Wahrhaftigkeit. Von selbst wird ein und
der andre zu alten Formen zurückkehren. Denn Kirche und Tisch-
gebet, Hausandacht oder Morgenchoral wird von Vielen auch heute noch
als ein Anlaß, eine Möglichkeit geschätzt werden, inmitten des Getriebes
werktäglicher Arbeit eine Feiertagstimmung einzuschieben, eine Stunde oder
auch nur ein paar Minuten der Verinnerlichung, des Hinausschauens über
den Alltag. Ein Hinweis aus mehr als Alltägliches tut in unsrer so ver-
flachend wirkenden Zeit vielen gut. Und wer — wie das doch im Großstadt-
leben in weiten Kreisen der Fall ist — daheim kein ruhiges Fleckchen sein
Eigen nennt, auf dem er sich still auf sich selbst besinnen kann, wer
keine Mittel, keine Zeit hat, in die Stille der Natur zu entfliehen,

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Kunstwart XXVI, 8
 
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