Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1913)
DOI Artikel:
Breithaupt, Rudolf Maria: Zum Verständnis und Vortrag von Mendelsohns Klavierwerken
DOI Artikel:
Malzan, Richard: "Schutz der Arbeitswilligen"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0299

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
priccio8o"), sowie ein flockiges Isggisrisslino und feinschlägiges vidrsto der
Hand, und man wird dem feinen Musiker und klassischen Formalisten in
allem gerecht werden. R. M. Breithaupt

„Schutz der Arbeitswilligen"

^^/mmer wieder wird jetzt ein Gesetz zum Schutz der „Arbeits-
^(willigen" verlangt. Die Bezeichnung „Arbeitswillige" für Ar-
^Ibeiter, die einen Streik nicht mitmachen wollen, kommt natürlich
aus dem Lager der Unternehmer. Der „klassenbewußte" Arbeiter
sieht in „Arbeitswilligen" Leute, die sich davor „drücken" wollen,
um gerechte Arbeitsbedingungen zu „kämpfen". Er muß deshalb für
charakterlos, ehrlos, minderwertig dieselben Menschen halten, welche
die Arbeitgeber mit der Benennung „Arbeitswillige" gerade als
besonders wertvolle Menschen kennzeichnen wollen, die vorteilhaft
gegen die faulen Streikenden abstächen. Welche Wertung ist rich-
tig? Das hängt in jedem einzelnen Falle davon ab, ob das, worum
gestreikt wird, berechtigt ist oder nicht. Gestreikt wird gewöhnlich um
Lohnerhöhungen, um die ökonomische Grundlage des Arbeiterdaseins.
Irgendein Lohn ist jeweils der gerechte. Wollen die Streikenden
darüber hinauskommen, so wollen sie den Arbeitgeber ausbeuten,
teilweise von seiner Arbeit leben: dann verdienen „Arbeitswillige"
ihren Ehrennamen. Trachten Streikende aber nur danach, dem ge-
rechten Lohne näherzukommen bis sie ihn erreicht haben, so sind
„Arbsitswillige" Feiglinge, die nur fortfahren zu arbeiten, weil sie
sich vor dem Lohnkamps scheuen, denn natürlich ist ja gewiß, daß
der Mensch den Ertrag seiner Arbeit möglichst hoch wünscht.

Diese einfache Erwägung zeigt schon, daß man vom Staat nicht
ohne weiteres ein „Verbot des Streikpostenstehens" oder ähnliche
Maßnahmen für die „Arbeitswilligen" oder vielmehr für die Unter-
nehmer erwarten darf, denen diese dienen. Sonst würde der Staat
auf den Standpunkt des vollen Klassenstaates zurückkshren, den er
längst verlassen hat; er nähme kritiklos für das Unternehmertum
gegen die Lohnarbeiterschaft Partei. Indem der Staat den Arbeitern
das Koalitionsrecht und andere Freiheiten gewährte, indem er sich
durch die Sozialpolitik sogar zum Teil in den Dienst ihrer Bestrebun-
gen stellte, suchte er freiwillig aus der Hörigkeit der höheren
Stände und Klassen herauszukommen. Es könnte wohl möglich sein,
daß ihm dieser Versuch nie völlig gelänge, weil seine Kräfte zu
schwach wären, um sich von den Banden, die ihn an die Vergangen-
heit sesseln, loszureißen. Vielleicht werden die Rahmen, in die un-
sere Gesetzgeber das neue Leben zu spannen suchten, das sich aus
der sozialen Bewegung entwickelt, nicht auf die Dauer halten. Sicher
ist nur, daß der Staat sich mit allen Kräften bemühen muß, den
Anforderungen der Gegenwart zu entsprechen, um lebensfähig zu
bleiben. Darum bedeutet die Lösung der sozialen Frage für den
heutigen Staat eine Frage um Sein oder Nichtsein. Solange er
keine gerechten Löhne bestimmen und diktieren kann, muß er sich
den Arbeitskämpfen gegenüber im großen und ganzen neutral ver-
halten. Nur die Methode des Kampfes, nicht der Kampf selbst

2. Februarheft ttzsZ

239
 
Annotationen