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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1913)
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Mangoldt, Karl von: Wohnungsgesetzgebung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0209

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WohnrMgsgefetzgebrmg

^^aß unsre Wohnungsverhältnrsse den Kulturausstieg
E^HHunsers Volkes mit am schwersteu Hemmen — wer wüßte das
^»^nicht! Aufstieg der Kultur verlangt vor allem ein körperlich
rüstiges Geschlecht, auch auf der neuen iudustrielleu uud städtischen
Grundlage uusres Lebens. Antike und altgermanische Ideale schwebeu
uns vor, — aber in unsern großen und klsinen Orten werden Mil-
lionen Menschen jahraus, jahrein in Räume eingesperrt, die Brut-
stätten von Krankheit und Siechtum sind. Vielköpfige Familien in
ein oder zwei Räumen mit oder ohne Küche, Gesunde und Kranke auss
engste beieinander, Lltern die Schlafräume teilend mit längst schon
herangewachsenen Kindern, Familienangehörige mit Schlafburschen und
Schlafmädchen in den ohnedies schon unzureichenden Wohnungen zu-
sammengepfercht, sehr häufig mehrere Personen, namentlich Kinder, in
einem Bett! Wir übertreiben nicht, als säh es so in allen Woh-
nungen der Armeren aus, äber bei einem sehr großen Bruchteil sieht
es so aus, und auch oberhalb dieses Bruchteils finden sich schwere
Mängel genug. Wo soll da die körperliche Gesundheit und Rüstigkeit
hsrkommen? Aber weiter: aufsteigende Kultur verlangt schöne, licht-
volle, großzügig angelegte Städte mit, Tummelfreiheit für die Iugend,
mit Anteil am Grundbesitz und Boden mindestens doch für einen
sehr großen Teil der Bevölkerung — bei uns aber herrscht in weitem
Amfang die Mietkasernel Endlos reihen wir tzaus an Haus, Straße
an Straße,- nur ein verschwindender Teil der Bevölkerung hat in
den eigentlichen Großstädten noch Grundbesitz, und selbst in den
kleineren Orten ist der Anteil der Bevölkerung daran nicht nur zu
wenig entwickelt, nein, vielfach in starkem Rückgang. Und ferner:
das Aufsteigen der Kultur verlangt, daß mehr und mehr auch
die große Masse der Bsvölkerung wenigstens einigermaßen die Geld-
mittel erschwingen könne, um über ein bloßes Fristen des Daseins
hinaus an der Kulturbewegung tätig sich zu beteiligen. Aber neben
der allgemeinen Teuerung sind es besonders die hohen Mieten, die
vielen die Mittel für Kulturgüter wegnehmen. Bei alledem kann
man nicht etwa sagen, daß diese Abelstände unabwendbar seien. In
England, in Belgien, in einem großen Teil der Vereinigten Staaten
wiegt das Kleinhaus vor. Für öffentliche Parke und Anlagen ist
in vielen amerikanischen und englischen Städten glänzend gesorgt.
Auch bei uns zeigen viele kleinere Orte noch befriedigende Wohnungs-
verhältnisse; einem ganzen großen, stark industrialisierten Kreise dei
uns ist es sogar, wie aus kundigem Munde berichtet wird, gelungen,
sich Hand in Hand mit dieser mödernen Industrialisierung mehr und
mehr förmlich zur Gartenstadt umzuwandeln und die Arbeitsbevöl-
kerung in weitem Umsange mit Grundbesitz ansässig zu machen.
Wir wissen auch jetzt, wo die Hindernisse besserer Wohnungsverhält-
nisse bei uns liegen. Wir wissen, daß unsre hohen Baustellenpreise
nicht naturnotwendig sind, sondern daß sie auf ganz bestimmten,
abänderungsfähigen Rrsachen beruhen. Wir wissen serner, daß das
übliche Kleinwohnungshaus bei uns, wie es als größeres Miethaus
oder als Mietkaserne in der Regel spekulationsweise von einem

ch8 Kunstwart XXVI, 9
 
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