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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 7 (1. Januarheft 1913)
DOI Artikel:
Miltitz, Dietrich von: Adel und modernes Kunsthandwerk
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Weber, Ernst: Gesamtunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0037

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wicklung von der Dame zur modernsn Frau vollzieht, nur langsam einer
Bewegung folgt, deren Ziele noch so wenig klar sind, die noch so völlig
in der Gärung begriffen ist.

Wir glauben, daß die Teilnahme des Adels an der Bewegung in dem
Maße zunehmen wird, wie seine Eigenart unter dem Drucke der modernen
Verhältnisse abnimmt. Die Bestrebungen der modernen Handwerkskunst
werden also nach wie vor ihre beste Kraft aus dem Bodeu des gebildeten
Bürgertums ziehen müssen, und ihre Erzeugnisse werdeu, wie unsre
ganze Ieit, eineu bürgerlich-demokratischen Lharakter tragen.

Dietrich Frhr. von Miltitz

Gesamtrmterricht

gibt in der Reformpädagogik eine Richtung, die den Unterricht in
E^den Unterklassen der Volksschule oder doch im ersten Schuljahr als
^^„Gesamtunterricht" erteilt sehen will. Man empfindet es als un-
natürlich, schon auf der Unterstufe eine Leilung nach einzelnen Fächern
vorzunehmen. Der Unterricht soll hier mehr eine geschlossene Einheit
darstellen, wobei eins ius andere übergeht, ohne daß die Kinder merken,
daß ein „Fach" das andre ablöst, da alles von großen, geschlossenen Ge°
dankenringen umspannt wird.

Auch sür die späteren Entwicklungsstufen fordert man eine stoffliche
Konzentration. Auf der letzten Hauptversammlung des Sächsischen Lehrer-
vereins verlangte zum Beispiel der Lehrer Vogel aus Leipzig für den
gesamten Anterricht der Anterstufe den heimatkundlichen Anschauungs-
unterricht, für den gesamten Anterricht der Oberstufe die Lebenskunde
als Mittelpunkt. „Durch die beiden Stammfächer, heimatkundlicher An-
schauungsunterricht und Lebenskunde", führte der Berichterstatter jener
Tagung aus, „ist auch der Anfang zu einer Verschmelzung der reich-
gegliederten FLcher, wie Botanik, Zoologie, Geologie, Technologie, Physik,
Chemie, Anthropologie, Astronomie, Mathematik, Geometrie, Literatur,
Grammatik, ja vielleicht sogar Geographie, Historik, Theologie und Ethik
zu einer einheitlichen . . . Betrachtnng der Welt gegeben."

Derartige Forderungen und Anschauungen sind natürlich nicht un-
widersprochen geblieben. Es sei nur auf ein paar Bemerkungen hin-
gewiesen, die Georg Kerschensteiner in seinem Buche „Begriff der Arbeits-
schule" den Bestrebungen der Gesamtunterrichts-Pädagogen widmet: „Alles
menschliche Wissen", schreibt der berühmte Reformer, „hat sich im Laufe
der Kultur von selbst in geschlossene, wohlgegliederte Reiche gespalten,
genötigt durch die Organisation unsrer pshchischen Funktionen. Nur in
der dem jeweiligen Wissenstoff inhärenten Gliederung entfaltet er die
ihm eigentümliche Bildungskraft, hilft er die für unsre Lharakterbildung
so notwendige Klarheit des Arteils entwickeln. Diese übersichtlichen und
durchsichtigen Kristallgebäude mit ihrer gesetzmäßigen Führung der Licht-
strahlen der Erkenntnis für Unterrichtszwecke zu zertrümmern und an
ihre Stelle das diffuse Licht ihrer Scherbenhaufen zu setzen, das bringt
nur der fertig, der keine Vorstelluug hat von der Bildungskraft eines
selbsterarbeiteten Systems geschlossener Erkenntnis."

Wir sehen hier zwei durchaus entgegengesetzte Strömungen innerhalb
der modernen Reformpädagogik. Dort Verschmelzung, Zusammenfassung,
Angliederung — hier Zerlegung, Teilung, Sonderung.

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Kunstwart XXVI, 7
 
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