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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 11 (1. Märzheft 1913)
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Haenel, Erich: Das Bismarckdenkmal am Rhein
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Hofmann, Walter: Politik der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0376

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drückt: das ursprünglich rein und bedeutend empfnndene Deutsche dem
klassischen Formgedanken unterlegen.

Wir, gerade wir denken hoch genug von Kreis, um ihn einer Konzession
ans anderen als idealen Grnnden nicht fnr fähig zu halten. Wir trauen
ihm aufrechte Gesinnnng und Furchtlosigkeit vor vielen andern Zn. Am so
schärfer aber verurteilen wir die Verhältnisse, Erwägungen und Männer,
die den großen Aufwand dieses einzigen Denkmalsplanes mit so unglück--
licher Hand vertan haben. Erich tzaenel

PoliLik der Bücherei

rechnen Sie die Volksbibliotheken denn überhanpt zu den Volks--
» Hbildungsanstalten?" — Eine derartige Bemerknng, meint man, könne
"^--^nur in Deutschland fallen und auch hier nur in Kreisen, die, abge--
schlossen vom modernen Kulturleben, „Fortschritt und Bildung" feindlich
gegenüberstehen. Dem ist nicht so. Die ketzerische Änßerung stammt aus
dem Mnnde eines hohen Beamten im englischen Unterrichtsministerium
nnd sie bezieht sich auf die oft und laut gepriesenen englischen Volks--
bibliotheken und Bücherhallen. Und wer glauben möchte, daß es sich hier-
bei doch nur um die nnmaßgebliche Änßerung eines Rückständlers und
Außenseiters handle, der lese im achten Hefte des vorigen Fahrgangs des
„Lckart" Ernst Schultzes Beitrag über die Entwicklung der Volksbiblio-
theken in England. Wenn der Verfasser, woran zu zweifeln wir keine
Veranlassnng haben, zuverlässig berichtet und aus englischen Büchern und
Zeitschriften richtig zitiert, dann befinden sich die berühmten englischen
?ublio lübrariso heute in genau der gleichen Krise wie die deutschen Bücher-
hallen, die seit etwa zwölf, fünfzehn Iahren unter starker Anlehnung an
englische und nordamerikanische Vorbilder gegründet wurden. Auch in
England und auch in den Kreisen der englischen Volksbibliothekare bricht
sich die Äberzeugung immer mehr Vahn, daß Volksbildung — soweit sie
überhaupt durch Bücher gefördert werden kann — eine solche Förderung
nur von Büchern erhoffen darf, die nicht gemacht, sondern empfunden,
erlebt, von wirklichen Kräften der menschlichen Bildung gestaltet worden
sind. Also zum Beispiel nicht von „dummen Romanen", wie Vaul Ernst
vor einiger Zeit hier im Kunstwart sagte, noch von pseudo- und „populär-
wissenschaftlichen" Hervorbringungen, die selbst nur ein Symptom für
die Verbildung unsrer Zeit sind. Änd dann: auch die Bildung des Volkes
und der großen Massen kann nie und nimmer durch einen mechanischen
Massenbetrieb „erzielt" werden, der Kampf für die Volksbildung kann —
heute mehr denn je — nur ein Kampf um den einzelnen, um viele ein-
zelne, sein. Daß die englischen ?ublio Iübraris8, in denen jahrzehntelang
mit dem bildungsfeindlichen Massenbetriebsinstrument, dem „Indikator",
gewütet worden ist, auch dieser Erkenntnis sich zu lange verschlossen haben,
das ist der andere Vorwurf, der gegen diese Anstalten in neuerer Zeit auch
in England von den um die geistige Förderung der Nation Bemühten er-
hoben wird. Also alles — ganz wie bei unsk Nur daß in Deutschland
schon nach zehn-, fünfzehnjähriger Bücherhallenarbeit sich die Stimme der
Vernunft und der Wahrheit erhoben hat, während England erst ein Men-
schenalter und länger brauchte, um das Unfruchtbare, ja unter Umständen
sogar Lebensfeindliche des bisherigen Bildungs-Manchestertums der volks-

^ 506 Kunstwart XXVI, Ä
 
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