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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 8 (2. Januarheft 1913)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0151

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David war sehr ernst geworden. Er verstand sehr wohl, was der
Pfarrer unter diesern an Weihrauch nnd Orgelklang erinnernden Worte
meinte.

„Das bedeutet den Untergang unsrer Kulturl" rief er.

Der Priester schüttelte den Kopf. „Nein — das bedeutet den Fort-
schritt!" entgegnete er frendig, und aus seiner Stimme klang jene feste,
unerschütterliche Zuversicht, mit der sein Großvater Ruben einst, um den
irrgläubigen Sohn nicht verdammen zu müssen, als Wunder das Er-
scheinen eines zweiten Sonnenballs im Osten erwartet hatte.

Vom Heute fürs Morgen

Waffen an den Feind?

>^»ns wird geschrieben:

^»-„Nach Zeitungsmeldungen ver-
kauft die Parsevalgesellschaft ein mit
den neuesten Erfindungen versehe-
nes Luftschiff an England, sie könne
sich ohne größere Reichsunter-
stützung sonst nicht halten und die
Regierung habe den Verkauf ge-
billigt. Ich bin der Ansicht, daß
solch ein Verkauf eine geradezu
wahnwitzige Handlung wäre, und
^aß die Offentlichkeit aufs aller-
energischste alarmiert werden müßte.
Eine süddeutsche Abendzeitung mel-
dete im Oktober, daß deutsche In-
genieure die französischen Pulver-
mühlen in Ordnung bringen und
wies im Kommentar nicht auf das
Wahnsinnige dieser Tatsache hin,
sondern spöttelte nur, daß Frank-
reich das nötig hat. Ich meine,
es ist im höchsten Maße auch eine
Frage der „Ausdruckskultur", wenn
in einem sort die nationalen In-
teressen beredet und dann im In-
teresse einzelner die Vorteile/die
wir haben, aufgegeben werden. Ich
bin sicher, daß von den Hnndert-
tausenden, welche die 7^ Millionen
der Nationalflugspende aufgebracht
haben, vicle keinen Pfennig ge-
geben hätten, wenn sie wüßten, die
Regierung finde keine Mittel, zu
hindern, daß Parsevalluftschiffe an
das uns zurzeit feindlichste Volk
verkauft werden sollen, mit dem wir

vielleicht lM im Kriege sind. Man
kann deutschen Arbeitern ihren „In-
ternationalismus" nicht vorwerfen,
wenn der Internationalismus des
Kapitals so weit geht. Es ist ein
Verbrechen, deutsche Arbeiter gegen
deutschrevidicrtes Pulver und un-
ter deutsche Parsevals zu führen.
Im Anschluß hieran wäre die
ganze Frage der Lieferung von
Kriegswerkzeugen ans Ausland be-
ziehungsweise die Verstaatlichung
von Gewehr-, Kanonen- usw. Fa°
briken dringendst in die öffentlich-
keit zu werfen. „Krupp" wird heute
natürlich von einem ganzen Stab
„Beamter" geleitet, die Werften, die
die Kriegsmarine bauen, sind kaiser-
lich, sind nicht — wie „Krupp" —
durch einen einzelnen Mann als sein
Privatbesitz hochgebracht worden.
Wenn man sich darüber lustig machte,
daß Europäer Gewehre an Farbige
liefern, die auf unsere Soldatcn
schießen werden: so ist das hier das
gleiche in tausendfacher Vergrö-
ßerung. Harden erwähnte in einem
Vortrage, die französische Negie-
rung, deren sämtliches Pnlver nicht
nur für die Flotte, sondern auch
für das Landheer, schlecht sei, habe
sich an eine Pulverfabrik gewandt
und für jeden Preis Pulver kau-
fen wollen, die Firma habe bei der
Regierung des betreffenden Bundes-
staates angefragt, diese habe aber
widerraten. Dies hing also auch nur


2. Ianuarheft M3 s27 ^
 
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