Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1913)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0408

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
früher klar gesehen: ein Libertinsr darf nicht durch Selbstmord enden.
Gib mir die Fassung der Ruhe, die gefestigte Gelassenheit im Schicksals-
walten, die Fähigkeit, falsch zu sein und anders zu reden als zu denken.
Das Rückgrat, daß ich nicht zittre, wenn der Seeger winkt. Wie des
göttlichen Beaumarchais' Anschleichen in der hinterhältigen Rede, so
muß des Dichters Wesen sein! Göttlich, göttlich ist das gebracht, Scharffen-
steinl Wie ein heuchlerischer Schmeichler und Schuft benimmt er sich,
um Gutes zu wirken. Wer das so könnte! Wer die behagliche Tem-
peratur des Gemütes HLtte! Wer das Geld oder die Macht dazu hätte
oder: nein, laß mich leiden, aber gib mir einen Stoff, Scharffenstein;
zehn Iahre meines kurzen Lebens, mein letztes tzemd, für einen Stoff,
an dem ich mich weisen kann! Ich bin wer, vertraue mir! Ich darf
dir ja glauben, Scharffenstein! Scharffenstein, wenn sie in mir läsen!
Wenn sie in mich sähen! Gott wird mir viel zu verzeihen haben, denn
ich sündige viel in jähen und wilden Gedanken! Doch: ich will Gutes!"

Mit der Hand fuhr er die schweißnasse Kehle entlang; seine Rede
ging nun in scheuer Freude bebend, an die ringenden Mächte in ihm, die
nicht mehr zur Nuhe kamen. „Wohin reißt ihr mich noch, stürmische
Gefühle? Wollt ihr mich segnend ins Verderben schmeißen? Es seil!"
Und er breitete strahlenden Auges die Arme. — „Scharffenstein, Scharffen-
stein! Trau mir und keinem andern! Halt zu mir und in einer kleinen
Weile liegt die Welt uns zu Füßen!" Im sehnenden Aberschwang um-
armte er den heißgeliebten Freund, sie küßten sich — eine unschöne
Stimme riß sie auseinander.

„Kommet hinunter in den Saal, ihr Verliebtenl Eine Neuigkeit!
Die Akademie ist nach Stuttgart verlegt! Wir übersiedeln!"

„Von wem weißt du's, Boigeol?"

„Kühlt euch erst ab!" Er stob mit anzüglichem Lachen zur Tür hinaus.

„Boigeol ist kein edler Mensch! Scharffenstein, hüte dich vor dem!"
Schillers Augen warnten.

„Iuchhei!" Der Kapf sprang durch die Türe herein. „Aun kriegen
meine Fähigkeiten die große Welt, die sie zur Entfaltung brauchen! In
Stuttgart mach ich Karriere! Dort gibt's Weiber, die einen kräftigen
Kerl soutenieren! And dein Vater, Schiller, wird Garten-Intendant
auf der Solitüdel Weißt du's schon?"

„Scharffensteinü" Fritz Schiller preßte hocherregt, in jäher Angst,
des Freundes Hand. „Ich hab seit Lagen nicht an zuhause gedacht. Das
gab es in mir noch nie! Vater und Mutter vergaß ich über dir.
Scharffenstein! Sprich mich ledig durch dreifache Lieb! Scharffensteinü"

Vom tzeute fürs Morgen

Ein WorL für Zohannes
Müller

ei Iohannes Müllers großem!
Erfolge konnten die Gegenstim-
men nicht ausbleiben. Ich habe
nicht den geringsten Wunsch, sie

gedämpft zu sehen, so wenig als,
wie ich glaube, Iohannes Müller
selbst ihn hat. Aber ich möchte
einige Gründe anführen, aus denen
ich glaube, daß der Mann zu schade
für eine gewisse lächelnde Behand-

338

Kunstwart XXVI, st
 
Annotationen