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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 11 (1. Märzheft 1913)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0407

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Throne stehen, wenn die Posaune ruft. Dann will ich hellen Blickes
vortreten und sagen: O Herr, das Pfund, das du nrir gabst, ich hab es
redlich gemehret zum Wohle der andern. Scharffenstein, Scharffenstein
und Er: ruhend auf seiner Wolkenbank! Wird er mir verzeihend winken
und mich eingehen lassen ins Land der ewigen Seligkeit, weil ich mir
treu war und wahrhaft lebte? O Scharffenstein, meiner liebsten Freunde
Allerliebster, steh mir zur Seite im grausen Iammertal, auf daß ich
Kraft finde zu widerstehen den bösen Mächten. Sei mein Freund für
ewig und immerdar und glaub an michl"

Krampfhaft umfing er des Freundes starke Faust. Als er das besonnene
Feuer in den treubewundernden Augen sah, wollte er andächtig und
dankbar die Hand küssen. Doch der Freund zog ihn an die Brust und
strich ihm seine heiße Stirn, hinter der ein Krater dampfend qualmte,
der stürmischen Ausbruch vorbereitete.

Sie saßen schweigend, bis das Blut wieder ruhiger strömte.

„Hast du meinen »Eroberer« gelesen? Was sagst du dazu, Scharffen»
stein? Dem Hoven gefällt er nicht; dem ist er zu wild!" Schillers
Blick bohrte und wühlte im Freund.

„Er ist schön und hat Kraft für drei. Kraft kann ich nicht tadeln!
Jch meine, Schiller, die Welt wär besser, läse und beherzigte sie deinen
ehernen Worteprall. Man höbe die Menschheit höher, wenn Ehrgeiz
und Ehrbegier schwänden."

„Und das Versmaß? Die Bilder? Sitzt jedes Wort am andern?
O sag! Der Petersen hat drüber weggelesen, als glaubte er nimmer an
mich.«

„I ch glaub an dich!"

„O Scharffenstein!" Vor innerer Erregung schluchzend umfing er
aufs neue den Freund. „Du glaubst an michk Weißt du, was das
Wort in meine Adern gießt? Zehntausend Höllen reißt es ein und tötet
den pestilenzialischen Anhauch der Kleinmütigen. Es schmeißt die Phg--
mäenbrut ins Dunkel und gibt mir Kraft." Er ballte die Faust, daß der
magere Arm erzitterte; unter den buschigen Brauen schoß ein fremder
Blitz hervor. „Kraftl Kraft! O Lwiger, ich fühl mich am Grabesrand
noch einmal stark und die Harphen weichen! Scharffenstein, Scharffen-
stein, ich muß ein Dichter werden, dessen Name durch die Welt läuft.
Aus diesem Schwabenhirn muß sich ein Werk aufbauen in die Ewig--
keit, und ich werd das ragende Haus den Menschen schenken, damit sie
drin wohnen in Freiheit; ich aber will dann still beiseitegehen und
weinen, weinen vor Glück, das ich Armer schenken durfte, weil es mir
selber versagt war."

„Du bist groß, Schiller!"

„Doch ich sitze da und erlebe nichtsk Scharffenstein, ich sitz in Pa--
Pieren, statt in der pulsierenden Welt, deren eisernes Näderrollen ich
kaum höre. Heißes Wollen und Eingeengtsein rennen wider einander
an in mir. Lasest du Klinger? Wie die feindlichen Brüder, Karl, der
Edle und Kühne, mit der Bruderkanaikle, voll Heuchelei und Feigheit,
kämpft, so kämpft Gutes und Böses in mir und ich kann's nicht ge--
stalten, weil ich nicht Nuhe der Betrachtung hab. Meinen »Studenten
von Nassau« hab ich verbrennen müssen; man hat mir zu oft hinein--
getrommelt und hineingelärmt mit unnötigen Dingen; sonst hätt ich

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