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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 9 (1. Februarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0239

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Vom Aeute fürs Morgen

Wer vertritt uns in der
Weltpolitik?

<^ie Schwierigkeiten beim Ersatz
-^Kiderlens haben bis tief in die
Nechte hinein Gedanken rege ge-
macht, wie sie in diesen Blättern
dem und jenem wohl bis zum
Aberdruß betont worden sind, ja
vielleicht schien jetzt zum ersten Male
auch konservativen Zeitungen die
Frage brennend geworden: ist etwa
bei dem Ergänzungsverfahren uns-
rer Diplomatie dies oder jenes
Wichtige doch nicht in Ordnung?
Was nicht in Ordnung ist, liegt
klar auf der Hand, wenn einer sich
auch nur die Mühe nimmt, die
Liste unsrer Mplomaten einmal
ohne Gedanken an Fraktions- oder
Klassen- oder soustige nicht all-
gemeine Interessen durchzusehn:
während die andern führenden Kul-
turvölker ihre Vertreter aus allen
Schichten der Gebildeten ergänzen,
uehmen wir die unsern, wie zu
Großväterzeiten, ausschließlich aus
einem engsten Kreise. 99 unter sOO
Deutschen kommen von vornherein
dafür nicht in Frage. Hat die
Schwierigkeit, schon einen Kiderlen
zu ersetzen, nun endlich klargemacht,
daß es sich hier um keine Partei-
frage, daß es sich um eine allge-
meine nationale handelt, die, wenn
wir wieder ins alte Behagen zu°
rückfallen, nächstens zur nationalen
Not werden kann? Den Ingeni-
eur, der bei schwierigen Verech-
nungen sagen würde: ich nehme
mir meine Gehilfen nur aus der
Familie, würden wir auslachen,
aber im strengsten Wettbewerb aller
Kräfte der Welt, bei dem Krieg
und Frieden, Wohl und Ehre
des Reichs auf dem Spiel stehen
kann, begnügen wir uns mit der
Wahl aus vornehmen Herren, wäh-

rend die Völker ringsum nach
nichts weiter fragen, als nach den
bestgeeigneten aller ihrer Köpfe.
Geht es so weiter, wahrhaftig:
wenn man überhaupt von einer
Art fahrlässigen Vaterlandverrats
sprechen könnte, so müßte man's
dann bei uns.

Befferung im Juristen-
deutsch?

(^or einiger Zeit lief durch die
^Tagesblätter die Mitteilung, daß
künftige Gesetzesentwürfe einer
Durchsicht in sprachlicher Hinsicht
durch den Allgemeinen deutschen
Sprachverein unterzogen werden
sollten. Mittlerweile ist die „kleine
Strafgesetznovelle" gekommen (Nr.3?
R.-G.-Bl.), und sie atmet schon
bessern Sprachgeist. Als Beispiel
dafür 8 370 Ziff. 5 Abs. 2 St.-G.--B.
in beiden Fassungen.

Bisher: Eine Entwendung, welche
von Verwandten aufsteigender Linie
gegen Verwandte absteigender Linie
oder von einem Ehegatten gegen
den andern begangen worden ist,
bleibt straflos.

Ietzt: Wer die Tat (se.- die im
Abs. ( bezeichnete) gegen einen Ver-
wandten absteigender Linie oder
gegen seinen Ehegatten begeht,
bleibt straflos.

Zunächst fällt die Ausmerzung
überflüssiger Wörter aus, sodann
wirkt erfreulich, daß der Satz äkti-
visch gewendet ist, zum dritten —
und das will am bedeutsamsten
scheinen — kommt zum Ausdruck,
daß nicht die Tat, sondern der
Läter bestraft oder vielmehr nicht
bestraft wird. Darin mag übrigens
auch die moderne Strafrechtswissen-
schaft, die das Hauptgewicht von
der Tat auf den Täter verlegt,
ein günstiges Vorzeichen sehen.

M Kunstwart XXVI, 9
 
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