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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1913)
DOI Artikel:
Seyfert, Richard: Hoffnungen und Wirklichkeiten: zum sächsischen Volksschulgesetze
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0128

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Hoffmmgen rmd WirklichkbiLsu

Zum sächsischen Vollsschulgesehe

LlulLurfragen versöhnen sich die «Legensätze schwerer als in wirt--
^^schaftlichen Dingen. An dieser Taisache ist das sächsische Volksschul--
^Dgesetz gescheitert trotz der darauf verwendeten RiesenarVeit und trotz
des überall vorhandenen guten Willens zur Verstündigung. Die letzten
Klippen, an denen das Schiff der Verhandlungen zerschellte, waren die
Fragen des Religionsunterrichtes, der allgemeinen Volksschule und der
Schulgeldfreiheit. Es ist wichtig, den Verlauf des sogenannten Ver--
einigungsverfahrens zwischen den beiden StLndekammern des Landtags
kurz darzustellen. Denn nunmehr werden die einander gegenüberstehenden
Parteien sich gegenseitig die Schuld am Scheitern zuschieben. Es ist aber
wohl müßig, hier von einer Schuld zu sprechen, wo jede Partei geglaubt
hat, nach innerster Aberzeugung handeln zu müssen. Also: die liberale
Partei, wie einmal die Mehrheit genannt werden möge, forderte, daß
in das Gesetz eine Bestimmung ausgenommen werde, nach der der Reli°
gionsunterricht im Geiste der Kirche, aber ohne Vindung an den Buch-
staben der Bekenntnisformelu erteilt werdeu soll; eine Forderung, die sich
aus den Kämpfen um den Rsligionsunterricht herauskristallisiert hat und
aus liberalen kirchlichen Kreisen stammt. Diese Bestimmung erschien
der konservativen Partei unannehmbar. Vemerkenswert ist, daß nicht
so sehr der Inhalt der Bestimmung beanstandet wird, sondern ihre Auf-
nahme in das Gesetz. Durchaus bezeichnend ist es, daß die beideu Ver-
treter der evangelischen Landeskirche iu der Ersten Kammer neben dem Ver-
treter der Aniversität unter allen Nednern zu dem Inhalte der Bestimmung
die freieste Stellung eingenommen haben. Aber die Erste Kammer fürchtet,
daß der geforderte Satz wie eine Provokation, wie eine Aufforderung an
die Lehrer wirken müßte, den Unterricht vom Bekenntnis loszulösen. Daß
er nicht so verstanden werden dürse, daß Staat und Kirche, daß auch die
Sffentlichkeit unzutreffende Auslegung verhindern müsse, war von den
Rednern der Liberalen vorbehaltlos ausgesprochen worden. Ia, man ging
von dieser Seite noch weiter und schlug eine Fassung vor, die auch einen
Schutz gegen die Lehrwillkür enthielt. Umsonst. Was die Rechte zuge-
stehen wollte, war: jede derartige Bestimmung aus dem Gesetze auszu-
lassen. Das war selbstverständlich nur eine Scheinlösung der Aufgabe.
Die Linke hätte vielleicht darauf eingehen und sich mit einer Resolution
begnügen können, wenn nicht die Rechte zugleich gefordert hätte, daß das
sogenannte Bekenntnisgelöbnis der Lehrer, das die Liberalen ablehuen,
wieder in das Gesetz aufgeuommen würde. Von zwei Nednern der Nechten
wurde dieses Gelöbnis als eine „historische Äberlieferung", als neben dem
Diensteid „nicht unbedingt nötig" bezeichnet. Den Liberalen wäre seine
Aufnahme vielleicht möglich gewesen, wenn die Rechte die Aufnahme der
Bestimmung übsr den Religionsunterricht zugegeben hätte. Dies ist nicht
geschehen.

Die Forderung der allgemeinen Volksschule wird absichtlich und nnab-
sichtlich falsch verstanden. Es soll nicht eine für das ganze Land, für die
Großstadt wie für das Gebirgsdorf gleiche Volksschule erstrebt werden; aber
das wird gefordert, daß an einem Orte nur eine Art von Volksschule
bestehen soll. Und diese soll natürlich aufs beste eingerichtet sein, soll —


Kunstwart XXVI, S
 
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