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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1913)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: C2H6O und Begeisterung: an unsere akademischen Bürger
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0367

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! Iahrg. 26 Erstes Märzheft 1913 Heft 11 ^

CsHoO und Begeisterung

An unsere akademischen Bürger

«L H-nsre Kommilitonen in Breslau werden die Lrhebung Preußens
feiern, und wir hoffen: nicht nur sie und nicht nur die Stu--
^^denten aller preußischen Hochschulen, nein, die aller deutschen
im heutigen Reiche und draußen. So weit die deutsche Zunge klingt,
geht ja, was da geschehen ist, alIean. Ob wir in Rußland oder Sster-
reich oder der Schweiz als des Landes sreudige Bürger leben, vielleicht
um ganz andre Güter besorgt als das Geschlecht von damals und
in Vielem vielleicht ganz anders denkend: auch dis, deren Ahnen
mit dem deutschen Orden im Osten gekämpft, oder mit den Dieth-
marschen im Norden, oder zur Tellenzeit in der Schweiz oder zur
Florian-Geyer-Zeit in Franken und Schwaben oder wieder zur
Hoferzeit in Tirol — sie alle sühlen doch Brudergeist in diesem
Preußenvolke von s8s3, das um geistige Güter irdische, das Gold
für Eisen, das Blut für den großen Gedanken gab.

Man kann nicht anders, Kommilitonen, man gerät in hohe Worte,
wenn man des Damals gedenkt, denn aus ihm ins Heute kommt's
wie ein Rauschen aus einem heiligen Hain. Nnd doch möchte ich
jetzt ganz nüchtern zu Euch reden. Nnd zunächst auch von gar
nichts besonders MLchtigem. Bloß von Kommersen, wie sie jetzt
überall abgehalten werden sollen. „Bloß?" Ist denn ein studentisches
Festgelage bis zum Landesvater hin nicht eine schöne und gute
Sache? Nicht auch eine erhebende, eine begeisternde? Immer nicht,
aber oft ist sie eine, und immer könnte sie eine sein. Immer, wo
Frische, Kraft und hoher Mut aus Frische und Kraft des starken
jugendlichen Menschentums aufsteigen. Nicht nur — aus Oz8sO.

Kommilitonen, Mitstreiter um die Kultur unsres Volkes: nicht
allein in meinen Ohren summt eine Rede nach, in der nur ein
Körnchen Wahrheit war, aber ein zu keckes, als das es dann stürbe,
wenn wir es übersehn. Eine Rede, von der wir durch die Tat
beweisen müssen, daß sie nicht bloß übertrieb und verallgemeinerte,
sondern daß sie trotz jenes Körnchens als Gedanke falsch war. „Nnser
ganzes Eouleurwesen", so hat kein Feind, sondern ein Freund unsres
Studententums und selbst ein Farbentragender gesagt, „beruht auf
den psychischen Wirkungen der alkoholischen Getränke." Ich habe
schon, als ich's erfuhr, gefragt, ob man sich dessen bewußt war,
was dieses Wort vorwirft, sobald man ihm nachdenkt, was alles
es entwertet, wie Vielss und wie Edles es zum Gespött macht.
Nnd ich will heute nicht darauf hinaus, Euch Abstinententum zu
predigen. Reden wir diesmal von solchen Fragen nicht, überlassen
wir sie heute dem Einzelnen und seiner Lebensführung. Aber den
Schimpf des Vorwurfs sollte die deutsche Studentenschaft nun end-
lich durch eine entschlossene Tat abwaschen: daß sie sich in frohem
Beisammensein nicht begeistern könne ohne Alkohol, daß sie zu ge-

j. Märzheft 1913 297
 
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